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Der Wandbrunnen in der Mattenenge

Als 1830 die NydeggbrĂŒcke gebaut wurde, musste der alte Brunnen in der Mattenenge weichen. Weil damals das Trinkwasser noch nirgends in den HĂ€usern aus dem Hahnen floss, liess die Stadt einen neuen Brunnen unter der BrĂŒcke, direkt am Pfeiler bauen. Dieser Brunnen besteht noch heute unverĂ€ndert, allerdings ohne seinen ursprĂŒnglichen Zweck. Am Brunnstock fliesst sauberes Wasser aus dem als Röhre gebildeten Maul einer fischartigen Figur. Ein schöner Trog, aus einem einzigen Block gehauen, fasst das Wasser fĂŒr die PferdetrĂ€nke und sonstigen Gebrauch.

Der Berner Mattenengebrunnen

Solche grosse Tröge bezog man aus Solothurn, wo seit dem Bau der St. Ursenkathedrale ergiebige SteinbrĂŒche bestanden. Aus der sog. Schalenbank meisselten die Steinhauer die grossen Brunnentröge die dann mit Ochsenfuhrwerken weit ins Land hinaus geliefert wurden. Manche andere Tröge hatten umherziehende Steinmetze aus dem Aostatal (genannt “Prismeller”) aus mit eiszeitlichen Gletschern ins Unterland gelangtem Findlingsgestein gehauen, aber das gehört nicht hierher.

Schauen wir uns doch das Bronzerelief genauer an, ein Fischungeheuer mit wulstigem Maul schlĂ€ngelt sich aus einem Röhricht mit “Kanonenputzern”. DarĂŒber hinaus ragt ein Dreizack als altertĂŒmliches Symbol das sowohl Fischerwerkzeug als auch Waffe beispielsweise der Gladiatoren war. Was hat jetzt das mit der Matte zu tun? In der “Brunnezytig”, dem QuartierblĂ€ttli der unteren Altstadt hat jemand mit dem KĂŒrzel BR das “Seeungeheuer” als ein den MĂ€ttelern als “Gröppu” bekanntes Fischli beschrieben: “Unter der NydeggbrĂŒcke erinnert heute noch ein Brunnen an die Zeit, als der «Gröppu» als wichtiger und schmackhafter Speisefisch galt. BR”

Bis höchstens 15 cm lang wird so eine Groppe (Cottus gobio) und sie lebt ausschliesslich am Boden von GewĂ€ssern, denn sie kann nicht richtig schwimmen weil sie keine Schwimmblase hat. Zum GlĂŒck sind ihre grossen Augen oben auf dem Kopf und deshalb sieht sie ihre Beute oder ihre Fressfeinde trotzdem gut. TagsĂŒber versteckt sich die Groppe unter Steinen und ist nur in der DĂ€mmerung aktiv. Am Wasser aufgewachsene Kinder machten sich schon immer ein VergnĂŒgen die Steine wegzunehmen und die trĂ€gen Fischli mit der Hand zu fangen. Wir haben sie dann in einer am Ufer abgetrennten Glungge eingesperrt und beobachtet. Irgendwann wurden sie dann freigelassen. FĂŒr den Fisch hat jede Gegend einen anderen Namen. Ich zitiere wieder BR: “Sie hat einen ĂŒberdimensionierten, abgeflachten Kopf und eine breite Maulöffnung. Durch den bulligen Kopf ergibt sich insgesamt eine keulenförmige Gestalt. Auf Englisch heisst die Groppe denn auch Bullhead – Bullenkopf.” Mir waren sie als “KĂ€uler” bekannt und damit konnte ich fĂŒr mich einige frohe Kindheitserinnerungen hervorholen. (Übrigens war die Groppe 2014 in der Schweiz der Fisch des Jahres.)

Der Sirenenbrunnen in Poligny (Franche-Comté)

Bild von Cjulien21 [CC BY-SA 3.0  (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], aus Wikimedia Commons

Jetzt aber zurĂŒck zum Mattenengebrunnen. Dass dieses unscheinbare Fischli Vorbild fĂŒr einen Bronzeguss sein sollte, ist kaum denkbar. Da kam mir ein Brunnen, den ich auf einer Reise im französische Jura-StĂ€dtchen Poligny gesehen hatte in den Sinn. Es ist tatsĂ€chlich der haargenau gleiche Abguss, allerdings mit einer pompösen Pseudofassade dahinter. Also stammt das Berner Exemplar aus der selben Giesserei. Bei meinen weiteren Recherchen fand ich immer mehr Ă€hnliche oder abgewandelte Fischungeheuer. Ein sehr Ă€hnliches Sujet trĂ€gt der Delfinbrunnen von ConliĂšge im Jura in der Franche-ComtĂ©. 1836 auf dem historischen Dorfplatz errichtet, sprudelte der monumental angelegte Brunnen durch vier bronzene Delphine. Drei dieser Delfine ersetzte das Rathaus 2008 durch drei neue GussstĂŒcke aus der Fonderie de Roquevaire.

Auf dem Brunnenstock des Basler Dreizack- oder Spittelsprung-Brunnens halten drei Delfine den Dreizack.

In Basel gibt es den Dreizackbrunnen mit ebenfalls Àhnlichen Gussteilen und auch in Bern findet man wenn man sucht diese Delfinsymbole z.B. am Kreuzgassbrunnen, ja sogar als Regenrohr-Ausguss am Nydeggstalden.

Regenwasserablauf am Nydeggstalden

Jetzt glaube ich ist die MĂ€r vom “Gröppu” am Mattenengebrunnen widerlegt, damals wurde einfach ein auf dem Markt feilgehaltenes Teil verbaut.

Eine identische Plastik aus Stein in Grenoble

Bild von RĂ©mih [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html), CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/) aus Wikimedia Commons

Ein geschuppter Delphin im Park von Versailles

Bild von Yves Tennevin [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html)] von Wikimedia Commons

Einen schönen Delfin als Spingbrunnenfigur findet man im Park vom Schloss Versaille und jetzt kommt Licht in die Symbolik. Diese sogenannten Define Ă€hneln den echten draussen im Meer kaum, man hat einfach Darstellungen von antiken Meeresungeheuern als Vorbild genommen. Und der Delfin heisst auf französisch “Dauphin”. Dauphin nannten sich die Thronfolger der Französischen Könige der Valois und der Bourbonen bereits im 12. Jahrhundert und so nennen sie sich bis heute (allerdings werden sie nie einen Thron besteigen können). Siehe dazu: https://de.wikipedia.org/wiki/Dauphin_(Adel)

Jetzt können wir uns nur noch wundern, dass dieses französische Herrschaftssymbol in Bern, in der Matte, unter dem BrĂŒckenbogen, unscheinbar und kaum beachtet, als Brunnenfigur einen Platz gefunden hat.

Bilder ohne Quellenangabe: © Erwin Weigand

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