Seidenstrasse von China bis Bern?
Nein, doch es gibt in Bern den Seidenweg in der Länggasse und warum der so heisst, das gilt es zu erkunden.
Bereits in den ersten Jahrhunderten n. Chr. gab es den Handelsweg im Orient, den auch die venezianischen Handelsleute kannten. Im 13. Jahrhundert reiste Marco Polo von dort bis nach China und machte Geschäfte mit Edelsteinen, die er unter anderem auch gegen Seidenprodukten eintauschte. Die kirchlichen oder weltlichen Fürsten und Honoratioren mussten ja ihre Stellung durch ihre prächtige Kleidung hervorheben. Dafür eignete sich die glänzende, feine Seide besonders gut. Weil aber die Preise für importierte Seidenstoffe sehr hoch waren, versuchte man in westlichen Ländern selbst Seide zu produzieren, um davon zu profitieren.
Die Seidenspinnerraupe, die Larve des Seidenspinnerfalters, lebt nur von den Blättern des Maulbeerbaums bevor sie sich in ihrem Kokon einspinnt. Für deren Zucht mussten diese Bäume gepflanzt und vermehrt sein, was an mehreren Orten in der Schweiz gelungen ist. In Zürich entstand mit der Zeit eine eigentliche Industrie und auch die Berner machten mit.

Das „Muubeeri“ an der Maulbeerstrasse, das ehemalige Hallenbad erinnert wie der Seidenweg an diese Zeit, als es in Bern Seidenfabriken gab. Um 1760 betrieb ein Herr Samuel Kurz am Platz des späteren Hotel National bis 1785 eine Seidenfabrik, auf die dann die Bierbrauerei von Karl Samuel Ziegler folgte. Der neue Hausbesitzer richtete dort auch eine Bierwirtschaft mit dem Namen Maulbeerbaum ein und schenkte dort sein „Beeri-Bier“ aus. Als das Haus 1908 dem Neubau des Hotels National weichen musste, trug das Restaurant darin bis zum Zweiten Weltkrieg den Namen „Maulbeerbaum“. Das „Beeri-Bier“ gab es noch eine gewisse Zeit beim „Zaaren“ im „Zimmermania“ wo es die Studenten nicht ohne Kritik genossen: „sie wollten wegen gänzlicher Abwesenheit von trinkbaÂrem Bier das Stammlokal verlassen“, das nur nebenbei. Die 1910 angelegte Maulbeerstrasse erhielt den Namen nach der alten Wirtschaft.
Am Seidenweg entstand 1868 die Mechanische Seidenstoffweberei Bern AG, die von leitenden Herren der Banken Marcuard & Co, Basler Bankverein und der Schweiz. Vereinsbank sowie dem Inhaber Major Eduard Albert Ludwig Simon. Der dazu nötige Zufahrtsweg hiess zunächst Simonweg nach dem Besitzer und wurde 1882 in Seidenweg umbenannt.
Der Major E. Simon hatte zuvor eine Seidenspinnerei an der Schifflaube 12, oberhalb der Matte-Schulhäuser gegründet. Gleichzeitig erwarb er das Wohnhaus neben dem Erlacherhof an der Junkerngasse 45. Im 1857 neu gebauten Seidenspinnerei-Gebäude „in Rieg mit steinernen Treppen, gab es drei Keller mit sogenannten italienischen Gewölben; im Plainpied einen Fabriksaal, zwei Zimmern und eine Küche; im ersten Stock zwei Fabriksäle; im zweiten Stock ebenfalls zwei Fabriksäle und ein kleineres Zimmer und auf dem Estrich eine Kammer und ein Holzhaus.“ 1865 schon verkauft Simon das Gebäude an den Feinmechaniker Friedrich Herrmann, der die kaum zehn Jahre alte Fabrik in ein Wohnhaus umgebaut oder als kombiniertes Werkstatt-Wohnhaus genutzt haben mag. Das Haus besteht noch und ist renoviert, mit mehreren, nicht gerade preisgünstigen Wohnungen ausgestattet.
Die nach dem Verkauf der Seidenspinnerei gebaute Seidenweberei in der Länggasse gab vielen Frauen und Männern Arbeit und Brot. Dort wurden zunächst Schirmstoffe und später Kleiderstoffe hergestellt. 1907 wurde die Gesellschaft erweitert und eine Fabrik im Elsass übernommen. Im Dezember 1929 beschloss der Verwaltungsrat die Schliessung der Fabrik in Bern aus wirtschaftlichen Gründen. Die Firma vereinigte sich im folgenden April mit der Firma Appenzeller, Wettstein & Co in Zürich, die weiterhin mehrere Fabriken betrieb. Damit verlor Bern einen einst blühenden Industriezweig, bedingt durch das Aufkommen neuer künstlicher Faserstoffe, der Kunstseide, brach die Nachfrage nach den natürlichen Seidenstoffen während der Krisenzeit ein.
Wo aber die angeblich vielen Maulbeerbäume kultiviert wurden, ist weitgehend unbekannt. Die gefrässigen Raupen mussten laufend mit frischen Blättern bedient werden und bedurften sorgfältiger Pflege. Vermutlich gab es bei Gutshöfen von Patriziern und Schlossherren entsprechende Betriebe.
Beim Schloss Bremgarten, so ist es in der Gemeinde-Chronik beschrieben, wurde 1844 an der Schlossscheune ein Anbau zur Seidenspinnerei erstellt. Zu dieser Zeit hat man dort eine Seidenraupenzucht betrieben. Aber vermutlich nicht besonders ertragreich, denn das Gebäude wurde kurz darauf nur als Wohnhaus genutzt.
Verschiedentlich sind noch einzelne Maulbeerbäume als Spaliere an Fassaden zu finden, wenn schon keine Seidenraupen die Blätter fressen, könnten doch die schmackhaften Beerenfrüchte zu Konfitüre verarbeitet werden.
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Im folgenden zweiten Teil: Das Wiederauferstehen der Seidenproduktion in der Schweiz
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4 Comments
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Andi Stutz hatte in Zürich,zusammen mit seinen Schwestern, Elsa und Maya ein Geschäft mit dem Namen Fabric Frontline, wo Seidenschals, Foulards und Krawatten verkauft wurden, Sehr teuer. Er ging viel nach Russland, wo er gute Geschäfte machte. Später erföffnete er das Resstaurant Seidenspinner,wo währschaft gekochte wurde, nach seiner Mutter. Später hat er alles verkauft.
Wenn die Besuchstermine (und Beginn-Zeiten) fĂĽr mich sind, so werde ich mich gern anmelden. Die ersten 10 Jahre nach meiner Grundausbildung im kaufmännischen Bereich, arbeitete ich 10 Jahre im Grosshandel mit asiatischen Textilien. China und Indien waren die Hauptlieferanten derer nationaler Seidenprodukte. Aus China kam die gewobene rohe ROH-Seide, welche in der Schweiz veredelt und gefärbt wurde. Erst das Abkochen – eine ĂĽbelriechende Angelegenheit, um dann als saubere ROH-Seide oder als stĂĽckgefärbt in den Grosshandel zu gelangen. Erstklassige Färbereien gab es in Basel, ZĂĽrich und am ZĂĽrichsee. Im Glarnerland hatte es Käufer fĂĽr den Seidendruck, in St. Gallen fĂĽr Modefabrikation – und weltweit wiederum ebenfalls Verarbeiter der hochstehend und exklusiv in der Schweiz veredelte Seide. – Inzwischen exportiert China längst stĂĽckgefärbte Seide – sie können es inzwischen längst auch, und der Handel via Schweiz ist nur noch ein Schatten frĂĽherer Mengen. Rolf / Rollo85
Lieber Erwin, dein Bericht ĂĽber die Entstehung der Seide ist hochinteressant
herzlichen Dank!
Ich freue mich auf den Besuch in Hinterkappelen.
Herzliche GrĂĽsse
Margrit
Sehr interessant, denn in meinen jungen Jahren habe ich mir diverse Seidenkleider genäht,. In Zürich gab es ein Geschäft mit Stoffen. Leider habe ich den Namen vergessen.Dieser Mann betrieb das Geschäft mit seinen 2 Schwestern. Er hatte auch ein Restaurant in Zürich. Mit Google finde ich es vielleicht heraus, oder vielleicht weisst Du lieber Erwin darüber Besheid. Herzlicher Gruss Ruth