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Staatsbesuche in alter und neuer Zeit

Beim Stöbern in der Chronik des Konrad Justinger findet man allerlei Geschichten mit teils wahren und auch dazu gedichteten Begebenheiten. Diesmal soll ĂŒber hohen Besuch in der Stadt Bern berichtet werden.

Man schrieb das Jahr 1414. In Bern war die neun Jahre zuvor abgebrannte Stadt bereits wieder aufgebaut und die BĂŒrger gingen ihrem normalen Tagwerk in bernischem Gleichmut nach. Ringsum, in den umliegenden LĂ€ndern aber war es alles andere als ruhig. Die weltlichen und besonders die kirchlichen Machthaber lagen in unversöhnlichem Streit. Dazu ein kurzer RĂŒckblick auf die Geschichte.

Nach dem Niedergang der Stauferherrschaft im 13. Jhdt. gewann Frankreich an Macht. Auch die Macht der PĂ€pste in Rom war eingeschrĂ€nkt durch KardinĂ€le französischer Herkunft. Deshalb gelang es mit der Wahl des Erzbischofs von Bordeaux, einen Franzosen als Clemens V. zum Papst zu wĂ€hlen. Er wurde in Lyon gekrönt und bezog seinen Amtssitz in Avignon. Damit wurde das Papsttum zum Spielball französischer MachtansprĂŒche und es verlor seine AutoritĂ€t als ĂŒberparteiliche Macht in Europa. Dieser von Korruption und Bevorzugung geprĂ€gte Zustand dauerte bis ins Jahr 1378. Auf Betreiben römischer Kirchenleute und besonders dem der spĂ€ter heiliggesprochenen Frauen Brigitta von Schweden und Katharina von Siena, zog Papst Gregor XI. endlich zurĂŒck nach Rom. Das gefiel jedoch den Franzosen nicht und sie wĂ€hlten mit Clemens VII. einen Gegenpapst, das Schisma mit mehreren GegenpĂ€psten begann. Erst ein in Pisa 1409 einberufenes Konzil mit vier Patriarchen, 22 KardinĂ€len und 80 Bischöfen, sollte dem unhaltbaren Zustand ein Ende setzen. Die beiden konkurrierenden PĂ€pste Benedikt XII. in Avignon und Gregor XII. in Rom waren aber dort nicht erschienen und so wurden sie als ĂŒberfĂŒhrte Schismatiker verurteilt und abgesetzt. Als Nachfolger wurde Alexander V. gewĂ€hlt. Die beiden ehemaligen PĂ€pste aber weigerten sich abzutreten, sodass es nunmehr – einzigartig in der gesamten Papstgeschichte – drei PĂ€pste gleichzeitig gab, das Schisma wurde noch weiter verschlimmert. Durch den Stress ĂŒberfordert starb Alexander bereits ein Jahr spĂ€ter Sein Nachfolger als Papst wurde sein vermeintlicher Mörder, Baldassare Cossa, ein ehemaliger Korsar, der sich als Papst den Namen Johannes XXIII. gab.

Als 1411 König Sigismund, der spÀtere Kaiser, sein Amt antrat, regierten also drei PÀpste. Mit Gegenpapst Johannes XXIII. beschloss Sigismund ein erneutes Konzil, das Konzil von Konstanz, um endlich Ordnung zu schaffen.

Hier beginnt die Geschichte auch fĂŒr die Schweiz interessant zu werden.

KirchenmĂ€nner, FĂŒrsten und Herrscher aus ganz Europa reisten nach Konstanz. Mit ihnen ein Tross von allerlei Begleitschaft. Ein Riesenbetrieb entstand am Bodensee, ein erster Anlauf des Schweizer TourismusgeschĂ€fts, das sich spĂ€ter zur Tourismusindustrie entwickeln sollte.

Der eine Papst reiste von Bologna ĂŒber den Reschenpass und den Arlbergpass an, wobei ihm beim Umsturz seines Wagens ein recht derbes:„Hier liege ich in Teufels Namen!“ entwich. Er verlor dann beim Konzil auch noch seine WĂŒrde, indem ihm und den anderen beiden GegenpĂ€psten die Funktion entzogen wurde. GewĂ€hlt wurde dann Kardinal Colonna als Papst Martin V.

Erst ĂŒber fĂŒnfhundert Jahre spĂ€ter wagte es ein neuer Papst wieder den Namen Johannes zu wĂ€hlen. Angelo Giuseppe Roncalli ,der „Konzilspapst“ Johannes XXIII. nahm nach seiner Wahl 1958 diesen Namen an, womit er einerseits dem Baldassare Cossa die PapstwĂŒrde aberkannte und andererseits sich ihm als Initiant eines neuen Konzils zur umfassenden Erneuerung der römisch katholischen Kirche gleichsetzte. Damit wĂ€re auch die korrekte Nummerierung der PĂ€pste geklĂ€rt.

König Sigismund war aus der Lombardei durchs Piemont zum Grafen von Savoyen gelangt und wollte noch in Aachen zum Rechten sehen, bevor auch er nach Konstanz zöge.

Den Bernern kam zu Ohren dass sich der König in Romont am Hof des Savoyers befĂ€nde und so schickten sie erbar Botschaft mit einer offiziellen Einladung dahin und luden den kĂŒng und den herren von safoy gan bern.

Inzwischen wurde in Bern geordnet und bestellt wie man den KĂŒng empfangen sollte. Als dann am 3. Juli 1414 nach der Vesperzeit von BĂŒmpliz her der Zug mit viel FĂŒrsten und Herren herankam, ging man ihm entgegen mit dem crĂŒtz und mit aller pfaffheit und schulern, mit dem heltum und mit allen orden. Da waren geordnet bi fĂŒnfhundert junger knaben under sechszehen jaren; den hat man bereit des richs paner, und daz trug ein micheler knab, und die andren knaben hat jegklicher des richs adelar uf sinem houpt in einem tscheppellin gemalet in einem schilte uf papir. Die empfiengen dez ersten den kĂŒng und knĂŒwoten all nider. Daz geviel dem kĂŒng gar wol und sprach zu den fĂŒrsten, die bi im ritten : da wachset uns ein nĂŒwe welt. Darnach wart er empfangen mit. dem crĂŒtze, mit dem heltum von aller pfaffheit, mit dem lobsang so sunderlich darzu höret.

Danach empfingen den König der Schultheiss mit zweihundert RĂ€ten und das ganze Berner Volk stand beidseits der Gassen. Der Schultheiss bot ihm die SchlĂŒssel der Stadttore, die der KĂŒng aber zurĂŒckwies und sprach: „nempt die slĂŒssel wider und hĂŒtent wol.“

Nun war ein guldin Himmel an vier Stangen bereitet, getragen von vier Vennern. Unter diesem Baldachin wurde der hohe Gast auf seinem Ross zum Zytglogge gefĂŒhrt, begleitet vom Schultheiss und den RĂ€ten. Danach ging die Pfaffheit mit ihrem Heiligtum und den SchĂŒlern jeglich wieder in ihre GotzhĂ€user. Den König aber fĂŒhrten sie zu den Predigern, denn das Rathaus war ja bekanntlich in keinem vorzeigbaren Zustand und das neue gerade erst geplant.

Im Predigerkloster aber war alles aufs Beste bestellt. ein kamer und sin bette mit guldinen und sidinen tĂŒchern in der grossen stuben; die tische wol bereit, und die wende alle behengket mit kostberen tĂŒchern, besunder hindrem tische , do der kĂŒng saz, an der wand ein guldin tuch. Also ass er nit me denn ein mal in der stuben, die andren male ass er in dem refentor, und allermenglich bi im, als vil do lĂŒten gesitzen mochten an allen tischen inwendig und usswendig.

Diese prĂ€chtigen RĂ€ume und Bauten hatten die Reformation heil ĂŒberstanden. Über die Jahrhunderte aber verloren sie erstens ihren Zweck und zweitens litt der bauliche Zustand so, dass kurz vor 1900, beim Bau des Stadttheaters das Kloster abgebrochen wurde. Freskenreste hat man damals geborgen und Fotos der Wanddekorationen gemacht, sie sind im historischen Museum aufbewahrt. Die Maler waren die Berner Nelkenmeister, so sagen die Historiker.

Wie aber wurden die GÀste bewirtet, es waren immerhin auf des Königs Seite meh denn achthundert Pferit und auf des Grafen Teil meh denne sechshundert Pferit

Fast nicht zu glauben. Man stelle sich vor: –1400 Pferde, dazu Reiter und Knechte, Frauen und MĂ€gde und alle wurden wohl verpflegt–. So schreibt der Chronist: Es waz ouch bestellet und geordenot umb win, umb brot, so umb fuoter, wa man daz vinden und nemen solte; fleisch, visch, spetzerie und ander ding, waz man bedorft dez hat man gnug, da waz kein gebrest. Nit allein der kĂŒng, sunder menglich hat. gnug, me ouch der graf von safoy und alle die sinen; und allen den, so zu dem kĂŒng dar komen, gap man gnug.

Man wollte auch das Silbergeschirr der Stadt auftischen, aber des Königs Hofmeister sprach: „Nein! stellt es nicht auf, es wĂŒrde sonst gestohlen“. Also trank meniglich aus dĂŒnnen welschen GlĂ€sern, der König, der Graf von Savoy und der Marquis von Montferrat, alle drei tranken aus einem Glas.

Drei Tage weilte der Hohe Besuch in Bern, dann ritt er gegen Mittag gen Solothurn, begleitet von der ehrbaren Berner Botschaft. Sie ritten gen Thal, das ist an der Worble in Ittigen und weiter auf der Reichsstrasse ĂŒber Habstetten ins Krauchtal und Burgdorf nach Solothurn.

Als man danach die Kosten ĂŒberschlug, fĂŒr die zerung, den schmiden, den sattlern, bi den schönen frouwen im geslin, darzu daz man an barem gelte gap des kĂŒnges amptlĂŒten, nemlich sinen pfifiern,  trumpotern, tĂŒrhĂŒtern, metzgern, köchen, daz bar gelt geburt sich in ein summe sechtzig schiltfranken und aller kost in ein summe gerechnet gebĂŒrte zwei thusent pfunt pfennigen. Der koste beturte nieman, won nachdem do der kĂŒng uf dem rine und vil andern stetten und landen gewesen waz , do rĂŒmde der kĂŒng  offenlich, daz im in keiner richstat me eren und wirdikeit nach aller ordnunge erbotten were, denne ze bern. Und daz ist kuntlich war.

Der Stadt Bern lag es schon damals sehr daran, ihren Ruf zu mehren, koste es was es wolle. Aber der Chronist klagt gleichwohl ĂŒber die stark steigenden Kosten nach dem Königsbesuch, fĂŒhrt es aber mit auf das beginnende Konzil zurĂŒck weil da viele Herren und Pfaffen zu riten kĂ€men. Die Teuerung wĂ€hrte angeblich fĂŒnf Jahre.

In den folgenden Jahren war dann das Konzil und Bern schaute aus sicherer Entfernung zu. Papst Martin V. wurde gewĂ€hlt, die Welt schien wieder in Ordnung zu sein. Der neue Oberhirte begab sich auf den Heimweg ĂŒber Schaffhausen und Lenzburg, dort wurde er von der Berner Botschaft begrĂŒsst und ĂŒber Solothurn nach Bern begleitet Vorher hatte er sich versichert auch willkommen zu sein, was ihm garantiert wurde. Am 24. Maien 1418 erreichte der Papst mit seinem Gefolge die Stadt. Und wieder sparte man nicht an Aufwand. Mit Aller Geistlichkeit, dem Allerheiligsten und viel Volk ritt Martin auf weissem Rosse zur LĂŒtkilche und danach zur Predigerkirche. Alle Sachen waren wohl bestellt und die Stadt schenkte ihm dazu einige Mengen WeinfĂ€sser, Ochsen und Schafe, Fisch und andere Dinge. Am Fronleichnamstag hielt dann der Papst selbst dort die Messe. Es waren mehr als zwanzig KardinĂ€le und Bischöfe dabei, auch liess man die RĂ€te und ehrbare Leute im Chor sein. Viel Volk war draussen im Obstgarten und die Mette dauerte zwei Stunden. Danach stieg der Pontifex auf den Lettner und sang und gab von dort seinen Segen mit der Hand.

FĂŒr die reuigen schweren SĂŒnder setzte er Penitentzier (Bussprediger) ein, die ihnen die Beichte hörten und Absolution erteilten. TotschlĂ€ger, Meuchelmörder und sogar der Henker von Bern wurden absolviert und tat jederman sin buss in der kilchen und im crĂŒtzgang nakent mit ruteschlĂ€gen, daz mengem alten rostigen SĂŒnder notdĂŒrftig war.

Zwölf Tage hatten der Papst und alle fĂŒrstlichen, geistlichen und weltlichen Herren in Bern gutes Gemach, gute Herberg gute Stallung guten Kouf, dass sie alle guten Wirt lobten. WĂ€hrend diesen Tagen fingen die Aarefischer mehr als sechzig Salmen und die JĂ€ger grosse Vorhennen was es noch niemals gegeben hatte. Nach einem letzten Amte mit seinen PrĂ€laten in der LĂŒtkilche schenkte der Papst noch eine schön köstlich, gĂŒlden mit seinem Wappen bestickte Chorkappe, gab dem Deutschen Hause und dem Volk seinen Segen und ritt von dannen. Auf einem weissen Ross mit einer Fahne ritt er gen Friburg und dann gen Genf. Dort hielt er wohl drei Monat Hof und alle waren sich gereuig schon so bald von Bern gezogen zu sein. Sie sprachen: ,,Non sumus Gebennis, sed Gehennis.“ (Wir sind nicht in Genf, sondern in der Hölle. – Wortspiel zwischen Gebennae, Genf, und Gehennae, Hölle.)

So waren damals Staatsbesuche. Manches gekrönte Haupt wird auch in der heutigen Zeit mit viel Ehre empfangen, allerdings werden jĂ€hrlich höchstens zwei offiziell begrĂŒsst.

Sogar Kaiser waren hier: Willhelm II. von Preussen, 1912 anlĂ€sslich des Kaisermanövers, um sich von der Wehrbereitschaft an der Schweizer Westgrenze zu ĂŒberzeugen. Sein Aufenthalt in Bern dauerte allerdings wetterbedingt nur sieben Stunden. Neben den obligaten Reden und dem Bankett im Bernerhof stand noch ein Besuch des BĂ€rengrabens auf dem Programm. Daselbst kam es zu einem lustigen Zwischenfall, als ein Berner Gassenbub sich neben den Kaiser ans GelĂ€nder drĂ€ngte. Der Kaiser gab dem Knaben das fĂŒr den BĂ€remani bestimmte RĂŒbli. Ein welscher Journalist meinte, die BĂ€ren hĂ€tten die Anbiederung des Potentaten verschmĂ€ht.

Der Schah von Persien besuchte in den fĂŒnfziger Jahren Bern, ebenfalls der Tenno von Japan und die meisten Herrscher aus den KönigshĂ€usern der Welt, StaatsoberhĂ€upter ohne Adel ausserdem. Dem chinesischen PrĂ€sidenten Jiang Zemin bereiteten FlĂŒchtlinge vom Dach der Welt auf dem Dach der Bank mit Transparenten einen besonderen Gruss, was diesen sehr erzĂŒrnte und zu einer heftigen Reaktion gegen Frau Dreyfuss antrieb. Dank des Bergkristalls aus Ogis Hosensack konnte der Vorfall gĂŒtlich bereinigt werden. Dem Dalai Lama aber blieb die Ehre eines offiziellen Empfangs verwehrt.

Und zu guter Letzt sei noch der Besuch des greisen Papst Johannes Paul II. zum Jugendtag am 6. Juni 2004 erwÀhnt. Vor 70 000 Menschen unter freiem Himmel, feierte er auf der Berner Allmend einen Gottesdienst.

Das Papamobil war ein wesentlich sichereres GefÀhrt als das des am Arlberg verunfallten Gegenpapsts Johannes XXIII.

Abschliessend noch eine Betrachtung aus dem Jahr 1413. Da kamen gar viel frömde Vögel in dis Land und flogen so dick an Scharen, dass man kum durch die Luft sehen mocht. Sie flogen von der Gibeleg herus in den Forst und den Bremgarten, dass alle Böme glich voll sassen. Da sagten die Alten dass viel frömdes Volk komen wurde. Das geschah auch bald darauf wie berichtet. Die Vögel hatten aber keinen Schaden angerichtet, also auch das Volk und die GÀste, sondern sie waren wohl genossen, weil sie viel guter Guldinen hatten.

Bilder: aus Justinger und Konstanzer Richental Chronik, Berner Staatsarchiv und Wiki Commons, gemeinfrei

Es gibt noch so viel zu erzÀhlen und wenn es recht ist, werde ich hier weitere Begebenheiten aus Bern beschreiben.

19.04.17, ew

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