Zweiter Teil der Seidengeschichte
Seit einigen Jahren werden an verschiedenen Orten in der Schweiz wieder Versuche unternommen, das alte Handwerk der Seidenproduktion neu zu beleben. Die Herstellung von Naturseide war seit bald hundert Jahren hier aufgegeben worden. Nun ist es auf die Initiative einiger Pioniere gelungen, die Seidenraupenzucht und Verarbeitung der Seide wiederzubeleben. Seit 2009 haben innovative Bäuerinnen und Bauern auf ihren Höfen als neuem Betriebszweig mit der Aufzucht von Seidenraupen begonnen.

Wie alles begann

Hans und Ueli Ramseier aus Hinterkappelen entdeckten 1985 auf einer Reise in die Chevennen die Seidenproduktion und deren einstmalige Bedeutung in Europa und der Schweiz. Sie fanden, das sollte auch heute wieder möglich sein und begannen sich über die verschiedenen Produktionsstufen, von der Zucht der Raupen bis zum fertigen Seidenstoff, in anderen Ländern zu informieren. Mit rund zwanzig Mitinitianten gründeten sie die Organisation «swiss-silk», mit Ueli Ramseier als Gründer und Präsident, zur gemeinsamen Förderung der Seidenproduktion in der Schweiz. Unterdessen beteiligen sich schweizweit fünfzehn Bauernbetriebe am Projekt. Sie kultivieren gegen 3000 Maulbeerbäume, deren Blätter als Nahrung für die Raupen täglich geerntet und verfüttert werden.

Die Familie Ramseier kultiviert auf dem Bergfeldhof in Hinterkappelen 600 Maulbeerbäume, meistens der weissen Sorte, denn die Raupen des Maulbeerspinners fressen diese mit Vorliebe. Die im Juli reifen Maulbeeren ähneln den uns bekannten Brombeeren und können als ein Nebenprodukt der Baumkulturen frisch genossen und verarbeitet werden. Getrocknete Maulbeerblätter eignen sich für schmackhaften Tee. Im eigenen Hofladen kann man diese Produkte und vor allem die edlen Seidenwaren erwerben.

Der Hauptzweig des Betriebs in Hinterkappelen ist aber die Seidenraupenzucht. Erste Erfahrungen sammelte Ueli Ramseier als er in der Badewanne der Familienwohnung die Kistchen mit den heranwachsenden Raupen aufgestellt hatte. Aus dem erfolgreichen Experiment entwickelte sich der heutige Betrieb. Viermal jeden Tag erhalten die Tierchen frisches Futter, sie fressen sich innert zwanzig Tagen ihre endliche Gestalt in Mittelfingergrösse an.

Dann werden sie in spezielle Wabengitterkästchen getan, wo sie sich selbst von aussen nach innen einspinnen, während dem sie innerhalb von drei Tagen rund 2’000 Meter Seidenfaden produzieren. Darauf beginnt der Prozess der Metamorphose, in dem sich die Raupe zuerst in eine Puppe verwandelt und sich selbst dabei verdaut – Histolyse nennt man das – und seine Raupenorgane komplett abbaut. Was ĂĽbrig bleibt, ist eine amorphe Eiweissmasse mit Zellinformationen, aus der sich dann ein Falter zusammensetzt. Der Falter wĂĽrde das Kokon dann durchbrechen, indem er es mit einer alkalischen FlĂĽssigkeit auflöst. Dann wĂĽrden sich die Falter paaren, das Weibchen noch kurz Eier legen, und dann beide sterben. Das wäre der natĂĽrliche Prozess.

So gesehen auf der Website von Impakt Hub Bern, wo mehr ĂĽber das Thema zu lesen ist.

Mit diesem natürlichen Ablauf wäre aber der Seidenfaden unbrauchbar geworden, deshalb wird in der Zeit, wo die Verwandlung von der Raupe zur Puppe beendet ist, durch Abtrocknen der Reifeprozess beendet. Die übriggebliebenen Puppen dienen dann noch als Tierfutter, andere Abfälle können sogar noch zur Herstellung von medizinischen Produkten verwendet werden. Die Kokons bleiben bis zum Winter aufbewahrt, dann werden in der Spinnerei in Bolligen die Kokons abgehaspelt und aufgespult.

In Schweizer Partnerbetrieben geschieht die Weiterverarbeitung des Fadens, wo edle Gewebe fĂĽr z.B. SchĂĽrzen von Berner Trachten entstehen.

Der BäreHöck ist eingeladen, beide Betriebszweige mit Gruppenführungen zu besuchen. Die Ausschreibung folgt unter „BäreHöck-Anlässe“.

2 Comments

  1. vielmals danken möchte ich Erwin für die beiden Beiräge zur Seidenproduktion. Ich habe zweimal in Lyon Infos und Ausstellungen zum Thema besucht. Interesse ist bei mir also vorhanden und ich hoffe auf einen Bericht von den Schweizer Betrieben.
    Leider kann ich nicht mehr an Betriebsbesichtigung teilnehmen.

  2. Zwei neue Beiträge zum Seidenbau sind im Magazin veröffentlicht. Der BäreHöck wird Ende August und Oktober die Betriebe in Hinterkappelen und Bolligen besuchen. Ausschreibung folgt.

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