Damals, als Bern das als EnergietrĂ€ger benötigte Gas noch selbst produzierte, mussten 20 000 Tonnen Kohle fĂŒr den Jahresbedarf der Stadt dem Berner Gaswerk, anfĂ€nglich mit Pferdefuhrwerken, vom Bahnhof Bern hinunter ins Marzili gekarrt werden.

Als man in den Jahren 1901/02 die GĂŒrbetalbahn zwischen Bern und Thun eröffnete, beschloss man eine Verbindungsbahn zur GTB Station Grosswabern einzurichten. Obwohl die Distanz zwischen dem Gaswerk und der GTB Station nur einen guten Kilometer betrug, wĂ€re wegen des Höhenunterschieds von 70 Metern eine direkte Verbindung nur mit einer Zahnradbahn möglich gewesen. Aus wirtschaftlichen GrĂŒnden wurde dann eine AdhĂ€sionsstrecke gebaut, die trotz einer Steigung von bis zu 35 0/00 um die 2,5 km LĂ€nge betrug. Die StreckenfĂŒhrung begann sĂŒdwĂ€rts der Station Wabern und fĂŒhrte dann in einem 180 ° Bogen ĂŒber die spĂ€ter mit Blinklichtern gesicherte Seftigenstrasse am Aarehang nordwĂ€rts hinunter zum Gaswerk. Über eine BetonbrĂŒcke ĂŒberquerte das Gleis die Eichholzstrasse, weitere StrassenĂŒbergĂ€nge waren ungesichert. Im Gaswerkareal bestanden vier parallele Gleise und mit mehreren Drehscheiben um die Kohlewagen zu den einzelnen GebĂ€uden zu leiten. Der Lokschuppen ĂŒber dem zweiten Gleis hatte beidseitig Tore, um die Maschinen witterungsgeschĂŒtzt warten zu können.


Auszug aus dem Stadtplan von 1925

Als 1906 die Berner Gaswerkbahn in Betrieb ging, wurden die Transporte noch durch Lokomotiven und Personal der GĂŒrbetalbahn besorgt. Zwei Jahre spĂ€ter konnte der Betrieb mit der von der Winterthurer Lokomotivfabrik SLM als Nassdampf-Tenderlokomotive E 3/3, Nr. 1, Typ “Tigerli” gelieferten, eigenen Dampflok beginnen. Mit ihr wurden tĂ€glich zwischen 15 und 20 Kohlewagen transportiert, talwĂ€rts die Zufuhr von Steinkohle – bergwĂ€rts die Abfuhr von Koks zur weiteren Verwendung als Heizmaterial und weitere Nebenprodukte der Gasproduktion. 1939 wurden 47 358 Tonnen Steinkohle zugefĂŒhrt und 32 139 Tonnen Koks abgefĂŒhrt. Die Gaswerkbahn bediente dazu ĂŒber ein kurzes Anschlussgleis in Wabern auch noch einige externe Kunden.

Die E 3/3 Sursee-Triengen-Bahn Dampflok 8522, baugleich mit der Berner «Lise»

Markus Giger, CC BY-SA 2.5 CH <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5/ch/deed.en>, via Wikimedia Commons

Der Kaufpreis betrug damals Fr. 42’000.- und sie hatte eine Leistung von 500 PS/370 kW. Mit dem Wasser- und Kohlevorrat von 4.2 m3 bzw. 1,7 Tonnen brachte die Lok 34,5 Tonnen AdhĂ€sionsgewicht auf die Schienen. Ohne Zuglast hĂ€tte sie eine Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h erreichen können, aber fĂŒr Geschwindigkeitsrekorde wurde sie ja nicht gebraucht. Die normale Arbeit war schon schwer genug.


Briefmarke von Queen E.

Am 2. Juni 1953 war die Krönung von Queen Elisabeth II. in London. Genau an diesem Tag begann der Dienst von Ernst Haefeli als LokfĂŒhrer der Gaswerkbahn. Man muss damals eine besondere Beziehung zu der Maschine gehabt haben, ohne sie wĂ€re ja kein Kohlenachschub möglich gewesen. Es gab wohl auch stĂ€ndig etwas zu reparieren und zu ersetzen. Jedenfalls taufte der neue LokfĂŒhrer zur Feier des Tages die launische “Gaswerk-Queen” auf gut bernisch “Lisebethli”. SpĂ€ter wurde die liebevolle Bezeichnung der Lok auf ein trockenes “Lise” verkĂŒrzt, wohl weil die kapriziöse Dame mit ihren Launen ihr Personal geĂ€rgert oder genervt hat.

Sigg Saurer Em 2/2 1 Lisi der Sursee-Triengen Bahn, baugleich mit der Berner «Mutz»

Markus Giger, CC BY-SA 2.5 CH <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5/ch/deed.en>, via Wikimedia Commons

Ab 1961 ging die alte “Lise” in “Halbpension”, denn sie erhielt als Nachfolgerin eine moderne Diesellok SIG/Saurer/BBC, Typ Em 2/2, genannt “Mutz”. Mit 40 Tonnen war diese Maschine um 6 Tonnen schwerer, aber trotz nur 243 kW leistungsfĂ€higer. Sie hĂ€tte 55 km/h erreichen können. Die “Mutz” war mit 7,50 m LĂ€nge um einen Meter kĂŒrzer als die “Lise”, was bei der Rangierarbeit Vorteil brachte. Die “Lise” blieb als Reserve in Betrieb und musste einspringen, wenn die jĂŒngere “Mutz” wegen UnpĂ€sslichkeit (MigrĂ€ne?) ausgefallen war.

Nur sechs Jahre spĂ€ter war das Ende der Gaswerkbahn gekommen. 1967 wurde die Stadt Bern an das Ferngasnetz angeschlossen und erhielt Stadtgas aus Basel und ab 1972 Erdgas. Steinkohle wurde keine mehr benötigt. 1968 wurden im Rahmen eines Dorffestes in Wabern noch einige Dampf-PersonenzĂŒge, mit grosser Publikumsbeteiligung auf der Gaswerkstrecke gefĂŒhrt -vielleicht kann sich noch jemand daran erinnern.  Die alte “Lise” wurde wieder angeheizt und ausnahmsweise mit vollgefĂŒllten Personenwagen auf die Strecke geschickt. Den ganzen Tag pendelte der Nostalgiezug zwischen Wabern und dem Gaswerk hin und her.

Die alte Trasse

Danach war endgĂŒltig Schluss. Die Bahnanlagen wurden, wie auch das Gaswerk, schnell abgebrochen, ebenso die BahnbrĂŒcke ĂŒber die Eichholzstrasse. Das Bahntrasse wurde zum Fuss- und Veloweg vom Marzili nach Wabern Einzig das kurze Anschlussgleis bei der Station Wabern blieb noch eine Zeit lang erhalten. 2015 wurde in Wabern die Verbindungsweiche zwischen den BLS Gleisen und den ehemaligen Abstellgleisen der Gaswerkbahn entfernt.

Die Diesellok “Mutz” verkaufte das Gaswerk 1969 an die Sihltalbahn SiTB der heutigen SZU. Dort war sie bis 2014 als Rangierlok im Einsatz und wurde dann der ZĂŒrcher Museumsbahn ZMB ĂŒbergeben, wo sie seither fĂŒr schwere Rangierarbeiten und zu Ausbildungszwecken verwendet wird.
Die Dampflok “Lise” sollte verschrottet werden, aber dank des Einsatzes von tĂŒchtigen WIFAG-Lehrlingen kaufte sie die Stadt Bern und ĂŒbergab sie den Lehrlingen zur Revision. Nach 1971 wurde die “Lise” in Laupen stationiert und regelmĂ€ssig fĂŒr Sonderfahrten auf der Sensetalbahn eingesetzt. Nach der Stilllegung der Bahnstrecke Laupen-GĂŒmmenen 1993, schenkte die Stadt die nun wieder heimatlos gewordene “Lise” dem Dampfbahnverein Bern DBB, der sie gelegentlich fĂŒr Nostalgiefahrten einsetzte. Seit 2004 wird sie jetzt im Depot Konolfingen generalĂŒberholt. Die FeuerbĂŒchse, der Dampfkessel, Getriebeteile und noch manch andere Teile mĂŒssen ersetzt werden, soweit sie nicht mehr repariert werden können. Soweit meine letzten Informationen.

Über hundert Jahre Bahngeschichte ist mit der Berner Gaswerkbahn verbunden, mehr darĂŒber mit den Originalbildern hier: https://eingestellte-bahnen.ch/gaswerkbahn-bern-gwb/

Aber die Gaswerkbahn ist nicht die einzige der eingestellten Bahnstrecken im Raum Bern. Die ehemalige Steinbruchbahn in Ostermundigen ist einige Jahrzehnte Àlter und könnte Thema einer weiteren BÀrner Gschichte sein.

One Comment

  1. Übrigens: Unser BĂ€remani, Walter Diener war eine Zeitlang Heizer auf der “Lise”, als sie fĂŒr die Berner Dampfbahnfreunde auf der Linie Laupen – Flamatt mit Nostalgiefahrten unterwegs war

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