Berner Gaswerk
Teaserbild: “Oktogon” im Marzili
Die Stadtplanung sieht in den nĂ€chsten Jahren eine Ăberbauung des Gaswerkareals am Sandrain vor. Das ist Grund genug sich einmal ĂŒber die Geschichte der Berner Energie- und Gasgewinnung zu informieren
Bild:2 Gaswerkareal
Das Gaswerkareal heute, noch vor der geplanten Ăberbauung
Lange stand es um die Beleuchtung der Gassen und PlĂ€tze Berns sehr schlecht. Wer in der dunklen Tageszeit noch unterwegs sein musste, tat gut daran eine Kerzenlaterne mitzutragen. Ăber den öffentlichen PlĂ€tzen etwa beim Zytgloggen oder beim KĂ€figturm waren zwar an gespannten Ketten Ăllaternen aufgehĂ€ngt, die aber nur schlechtes Licht boten und dazu dem normalen Gestank noch einiges dazu fĂŒgten. Ich vermute, dass das Ăl welches da verbrannt wurde, aus tierischem Fett gekocht war. Unschlitt oder Walfischtran wurden als Schmiere und eben mit einem Docht als Lampenöl verwendet. Dieser stinkende Gebrauch verschwand mit den neuen Gaslaternen die man ab 1842 einfĂŒhrte. Nicht allen zur Freude, wie bei vielen Neuheiten musste auch hier mit Ablehnung gekĂ€mpft werden. Doch bald ĂŒberwog die Zustimmung, denn zu der spĂ€ter auch in PrivathĂ€usern installierten Gasbeleuchtung, konnte man abends noch lesen und den Tag verlĂ€ngern. 241 öffentliche Gaslaternen gab es zu jener Zeit in der Bundesstadt und 270 Privatabonnenten. Und der Kubikmeter Leuchtgas, aus einheimischer Kohle hergestellt, kostete 50 Centimes.
Als 1852/57 die Stadt Bern im Auftrag des Bundesrats das “Bundesrathaus” (Bundeshaus West) bauen liess, richtete man im ansonsten nĂŒchternen GebĂ€ude die Kandelaber zur Gasbeleuchtung ein. Das stĂ€dtische Gaswerk befand sich ja von 1841 bis 1876 unterhalb der Bundesterrasse, also in unmittelbarer NĂ€he.
Bild: 3 Bundesratssitzungszimmer
Der ursprĂŒngliche Gasleuchter mit den fĂŒr Gasflammen nach oben gerichteten Leuchtstellen wurde nach dem Anschluss an das Stromnetz 1890 durch nach unten gerichtete GlĂŒhbirnen zum zeitgemĂ€ssen, elektrischen Leuchter umgebaut.
Das Bundesratssitzungszimmer ist im Stil der Renaissancegehalten und wird wegen des 1889 eingebrachten TĂ€fers und des Mobiliars oft als «Chalet fĂ©dĂ©ral» bezeichnet. Original erhalten seit 1857 sind noch die Stuckdecke sowie der Leuchter â einer der Ă€ltesten der in der Stadt Bern noch existierenden Gasleuchter. Hier finden die wöchentlichen Bundesratssitzungen statt.
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Bild:4 Dampfzentrale
Die Dampfzentrale vor dem 1887 gebauten Bundeshaus West. Mit dem Werk in der Matte das erste Berner ElektrizitĂ€tswerk. Mit Koks von der Gasfabrik wurde Wasserdampf erzeugt, der ĂŒber eine Dampfturbine einen Generator antrieb. Der hohe Kamin wurde abgebrochen und die Fabrikhalle zum Eventlokal umgebaut.
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Bild: 5 Oktogon-Hamam
Das Oktogon von der Aareseite gesehen, auf den Grundmauern des ersten Berner Gaswerks.
Die Gasbeleuchtungsgesellschaft erstellte in den Jahren 1841/43 das erste Gaswerk der Schweiz im Marzili an der Weihergasse 1 und 3 mit einem Gasometer. Allerdings wegen der hohen Kosten, gegen starken Widerstand des Stadtrats. Das achteckige GebĂ€ude indem sich heute ein “Hamam” eingerichtet hat, diente nach dem Auszug des Gaswerks der “Billardfabrik Fritz Morgenthaler” als Werkstatt.
Bild: 6 100 Jahre Gaswerk
Das Berner Gaswerk um 1945 im Modell
1860 ĂŒbernahm die Stadt das Gaswerk. Die steigende Nachfrage nach Stadtgas verlangte 1862 einen zweiten und 1871 den Bau eines dritten Gasometers.
1876 bezog das Gaswerk den Neubau in der Lindenau , dem heutigen Gaswerkareal an der Sandrainstrasse 17. Das grosse BetriebsgebĂ€ude war im Stil des “Neuen Bauens” 1929 von Walter von Gunten entlang der Aare erbaut worden. Es wurde, wie auch die anderen Produktionsanlagen, mit der EinfĂŒhrung des Gasverbunds und der Einstellung der Produktion im Herbst 1967 bis 1971 abgebrochen. Mit dem Bau von zwei Gasspeicherkugeln wurden auch die alten Gasometer ĂŒberflĂŒssig. Das von weither ĂŒber Röhren angelieferte Erdgas steht unter höherem Druck und benötigt bessere Speicher. Mit der Inbetriebnahme der Ringleitung um die Stadt und des Röhrenspeichers unter der Wiese vom Forsthaus Eymatt, wurden auch die Speicherkugeln im SpĂ€tsommer 2008 entfernt.

Bild: 7 Gaskugel
Eine der letzten Gasspeicherkugeln an der Sandrainstrasse
Bild: 8 Gasometer Schlieren
Ein als Industriedenkmal erhaltener Gasometer in Schlieren-ZĂŒrich,
von Wikimedia
So ein Niedrigdruck-GasbehĂ€lter wurde fĂ€lschlich Gasometer genannt, weil an seiner Aussenseite ein grosses Zifferblatt zur Anzeige des Gasdrucks weithin sichtbar angebracht war. Um den schwankenden Gasvorrat unter gleichbleibendem Druck zu halten, war ein GlockengasbehĂ€lter bezw. TeleskopgasbehĂ€lter nötig. In einem Wasserbassin schwamm wie ein umgestĂŒlptes Glas die mit Betonklötzen beschwerte Gasglocke in einem Mauer- oder StahlgerĂŒst. Vielleicht hat die Erfindung der Taucherglocke von Leonardo da Vinci Pate gestanden. Die heute veraltete Konstruktion wird noch in anderen StĂ€dten als Industriedenkmal gezeigt.
In Bern sind noch die beiden Halbkugeln des Deckels erhalten. Darin tobt sich die Jugend aus.
Bild: 9 Gaskessel
Berner Jugendzentrum Gaskessel
Wie aufwĂ€ndig aber die Gasproduktion war, ist heute schwer vorstellbar. Durch erhitzen von Steinkohle in Verbindung mit Wasser entstand in geschlossenen Kammeröfen das leicht entzĂŒndliche Stadtgas. Die dazu nötige Kohle stammte anfĂ€nglich aus Kohlengruben am Beatenberg und bei Boltigen. Per Schiff wurde sie nach Bern transportiert; deshalb stand das Gaswerk nahe der Aare im Marzili. SpĂ€ter waren die wichtigsten Kohlegruben der Schweiz im Abschnitt zwischen Paudex, Oron und Semsales bei Lausanne und in der Region von KĂ€pfnach bei Horgen am ZĂŒrichsee. Bis zur EinfĂŒhrung der Eisenbahn wurde ausschliesslich Schweizer Kohle verbraucht, danach vor allem importierte.
Bild: 10 Zementfabrik KĂ€pfnach
Die Zementfabrik KĂ€pfnach wurde mit der dort gewonnenen Kohle betrieben.
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Bild: 11 KĂ€pfnach, Eingang Grube Gottshalden
Bergleute am Eingang zur Grube Gottshalden KĂ€pfnach
Kohle gewann man auch in der Grube oberhalb Kandergrund, wo die ZĂŒndwarenfabrik Kandergrund AG 1940 nach Kohle suchen liess. Auf rund 1660 Meter westlich der Alp Horn ist teils noch heute schwarzer Stein im Felsen gut zu sehen. Dort wurden sie fĂŒndig, bauten eine Seilbahn und am Felsen angehĂ€ngte GebĂ€ude, die ein primĂ€res Stollennetz erschlossen. FĂŒr die Kriegsjahre eine wenig ergiebige aber nötige Energiequelle.
FĂŒr das Berner Gaswerk in der Lindenau transportierten Pferdefuhrwerke die jĂ€hrlich benötigten 20 000 Tonnen Kohle vom Hauptbahnhof ĂŒber die Sulgeneckstrasse hinunter an die Sandrainstrasse. Das Ă€nderte mit dem Bau der Gaswerkbahn, die den Kohletransport vom GTB-Bahnhof Grosswabern der 1902 eröffneten GĂŒrbetalbahn ohne Umladen ermöglichte.
Das Abfallprodukt Koks konnte als Brennmaterial fĂŒr Kohleheizkessel bezogen werden. Koks wurde bis in die jĂŒngste Zeit noch in vielen GebĂ€uden verheizt. KohlenhĂ€ndler luden die Ware sĂ€ckeweise beim Gaswerk auf Pferdefuhrwerke und trugen dann die SĂ€cke jeweils den Kunden in die Keller. Der schwarze Kohlenstaub bleibt unvergessen.
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Bild: 12 Gasballone
Weil das Stadtgas leichter als Luft war, wurden damit Gasballone gefĂŒllt. Hier der Start zu einer Ballon-Fuchsjagd.
Als sonderbares Kuriosum bleibt noch die medizinische Anwendung der Gaswerke als Kuranstalten zu erwÀhnen. Zur Behandlung der ansteckenden Keuchhustenerkrankung von Kindern wurde um 1860 eine Therapie angewandt, die auch der norddeutsche Dichter Theodor Storm am eigenen Kind anwenden liess: Man schickte die Kinder ins Gaswerk, wo sie mit Koks und Kohlesand spielen durften. Die eingeatmete schwefel- und ammoniakhaltige, sauerstoffarme Luft soll zur Heilung der Krankheit beigetragen haben. Heute sind dank wirksameren Medikamenten Krankheiten wie diese sozusagen ausgerottet. Es sei denn verschwörerische Theorien verhindern eine vorbeugende Impfung gegen Epidemien wie sie zur Zeit mit den Masern drohen. Man wird fatalerweise nach Alternativen wie im neunzehnten Jahrhundert suchen.
Fortsetzung folgt demnÀchst mit der aufgehobenen Gaswerkbahn.
Bildnachweis: Bild 1,2,4,5,9 ew, Bild 3 admin pdf, Bild 6 gemeinfrei Gaswerk pdf, Bild 7 Martin Abegglen, Bern [CC BY-SA 2.0] via Wikimedia commons, Bild 8 Roland zh [CC BY-SA 3.0] via Wikimedia commons, Bild 10, 11, 12 gemeinfrei via Wikimedia commons
One Comment
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Ich erlaube mir noch nachstehenden Link einzufĂŒgen:
https://dbb.ch/wp-content/uploads/E-3_3.pdf
Er zeigt noch unserer “Lise”, die Dampflok, welche die Kohlenwagen von Wabern zum Gaswerk brachte.
Ist heute im Besitze der Dampfbahn Bern, bei welcher ich seinerzeit fast 30 Jahre lang aktiv war, dabei als Heizer manche Tonne Kohle verbrannte
Baeremanni