Kluge Köpfe – Kunstvolle Bauten
Bei den StattLand-Spaziergängen wird immer viel Wissenswertes erzählt aus und über Bern.
Dem interessierten Publikum zu zeigen was die hellen Köpfe an der Uni forschen und erforschten ist nicht einfach und da geben sich die Führer keine Blösse. Gebäude und Denkmäler sind dabei hilfreich als Aufhänger.
Die Berner Uni auf der Grossen Schanze wurde um 1903 gebaut und bezogen, denn festen Boden unter den Füssen braucht es um dem Kopf die Freiheit zum Denken und Forschen zu geben. Die erste Berner Hochschule entstand nach der Reformation am Platz des ehemaligen Barfüsserklosters, wo jetzt das Casino steht. Anfänglich wurden dort nur Theologen für die Verbreitung der neuen Lehre ausgebildet, ab 1805 dann auch Juristen und Mediziner. Einer der grössten Universalgelehrten war der in Bern 1708 geborene Albrecht von Haller. Man könnte ihn als Berner Leonardo da Vinci bezeichnen. Er konnte leider nur in fremden Städten studieren und lehren; Tübingen, Göttingen, Braunschweig und die Basler Universität waren Stätten seines Wirkens. Doch nicht nur die Uni Bern schmückt sich gerne mit seinem Standbild.
Albrecht von Haller auf der 500er NoteNote von 1976,
gemeinfrei von Nationalbank über Wikimedia Commons
Der 1848 gegründete Bundesstaat benötigte dringend Akademiker aller Fakultäten, loyale Beamten waren gefragt. Von anfangs 165 Studenten wuchs die Zahl innert 40 Jahren auf über 800 Studierende an, damit wurde die Berner Uni zur grössten der Schweiz. Die Hälfte der Studierenden kamen vor allem aus Deutschland und Russland und sorgten für das rasche Anwachsen der Studentenschaft. Im Zarenreich war das Studium nur dem Adel erlaubt und deshalb reisten die russischen jungen Leute nach Bern. Russische Studentinnen waren es auch, die hier die Frauenemanzipation voran brachten. Als erste Frau wurde die russische Philosophin Anna Tumarkin zur ausserordentlichen Professorin ernannt und somit europaweit die erste Dozentin, die Doktorate und Habilitationen abnehmen durfte. Nach ihr ist der Fussweg zwischen dem Hauptgebäude und dem Institut für exakte Wissenschaft benannt. Aber, wie wir wissen, erhielten trotzdem die Frauen erst viele Jahrzehnte später das Stimm- und Wahlrecht. Heute sind mehr als die Hälfte der Studierenden Frauen und gendergerechte Sprache verlangt nun von “Studierenden” zu sprechen.
Nun zurück ins neunzehnte Jahrhundert. Im Zuge des Kulturkampfs wurde 1874 eine katholisch-theologischen Fakultät an der Universität Bern gegründet, aber schon 1876 als Ausbildungsplatz für die neue Christkatholische Kirche umgewandelt. Heute bildet sie zusammen mit der evangelischen die Theologische Fakultät die im Uni-Tobler angesiedelt ist, doch dazu später mehr.
Der Platz an der Hochschule oben an der Herrengasse wurde immer enger und schon waren verschiedene Abteilungen ins damals noch freie Gebiet der Länggasse gezogen. Der gute Ruf der Universität verlangte ein repräsentatives Umfeld. Deshalb wurde beschlossen, auf der vorher bereits aufgehobenen Wehranlage, der Grossen Schanze, ein Universitätsgebäude im damals üblichen Neubarockstil zu bauen. 1903 wurde es eingeweiht und Albrecht von Haller bekam mit einem Denkmal einen Ehrenplatz direkt vor dem Haupteingang mit freiem Blick zu den Alpen nach denen sein bekanntes Gedicht benannt ist.
Universität Bern mit Hallerdenkmal auf der Grossen Schanze
Institut für exakte Wissenschaften
Gleich daneben in dem kubischen Neubau befindet sich das Institut für exakte Wissenschaften. Im Vorgängerbau war auch die Sternwarte die nun an der Muesmattstrasse steht. Hier war für kurze Zeit das Wirkungsfeld von Albert Einstein, der im Jahr 1905 nicht nur mit seiner Formel E = mc², der Relativitätstheorie und anderen physikalischen Berechnungen Grundlagen der Weltraumforschung lieferte. Damals hatten die Universitäten von Zürich und Bern ihre Chancen verpasst, mögen sie sich heute noch so rühmen ob ihres genialen Mitglieds; keine wollte ihm eine Assistentenstelle geben. Während seiner Anstellung im Patentamt entstanden die wichtigsten Arbeiten. Danach, erst 1908 wurde seinem Antrag auf eine Professur an der Berner Uni entsprochen. Doch österreichische und deutsche Unis waren da vorausschauender und so verliess Albert Einstein bald die enge Berner Welt.
Albert Einstein – es hat noch Platz neben ihm!
Junge Studentinnen streichen ihm gerne über den Kopf vor einem Examen, ob es nützt?
Allerdings lässt sich Forscherdrang nicht aufhalten. Gerade jetzt wird an ein Stückchen Alufolie erinnert, welches bei mehreren Mondlandungen jeweils Teilchen der Sonne eingesammelt hat. Wer hat es erfunden – hier in diesem Institut wurde es entwickelt und ausgewertet. Eine Weltpremiere. Der Forschungsplatz der Uni Bern hält sich nicht an enge Landesgrenzen.
Im Gegensatz zu amerikanischen Universitäten ist der Campus der Berner Uni, also die Gebäude der Universität und die Wohnungen der Studierenden, nicht in einem begrenzten Areal angelegt. Schon bei der Neuausrichtung am Ende des 19. Jahrhunderts verteilten sie die Gebäude der diversen Fakultäten grosszügig auf dem noch freien Feld der Länggasse. So ist es noch heute, die Studierenden wohnen vermischt mit der übrigen Bevölkerung, sie kaufen in den gleichen Läden ein und das ist gut so. So wird dem in der Schweiz verpönten Standesdünkel von vornherein bereits Einhalt geboten.
Institut für Anatomie, Baltzerstrasse 2
Nach einem kurzen Marsch vom Uni-Hauptgebäude über den Falkenplatz zum Bühlplatz erreicht man weitere Institute. Bereits 1891-96 entstanden dort mehrere Bauten, für deren Backsteinarchitektur der gebürtige Pole Franz Stempkowski als Kantonsbaumeister in den 1890er Jahren bei der Übersiedelung der Universität auf das Muesmattfeld verantwortlich war.
Im anatomischen Institut lehrte der Arzt Theodor Kocher, der 1909 als erster Chirurg den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin erhielt. Sein Forschungs- und Lehrgebiet erstreckte sich über Schilddrüsenerkrankungen, Wundbehandlung und Chirurgie. Im heute noch unverändert erhaltenen Hörsaal wurden Leichensektionen durchgeführt. Die Studenten konnten von allen Plätzen die Demonstrationen der Assistenten des Professors gut beobachten. Damals waren es noch verstorbene Strafgefangene die man ohne Skrupel sezieren konnte. In den Korridoren werden auch noch die Zeichnungen von den Blutbahnen und Muskeln gezeigt, die Albrecht von Haller zur Illustration seiner Werke anfertigen liess.
Hörsaal im Institut für Anatomie, Bildnis von Theodor Kocher
Albrecht von Haller, Icones anatomicae
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Weiter wichtig ist das Neue Institutsgebäude, das von den Architekten Otto Rudolph Salvisberg und Otto Brechbühl 1928 bis 1931 gebaut wurde. Hier wurde bereits auf Natur- oder Backsteine verzichtet; dem Neuen Bauen verpflichtet, führten die Architekten das Gebäude ganz in Sichtbeton aus. In den auffälligen Vorbauten im Obergeschoss befinden sich die Hörsäle der verschiedenen Fakultäten. Bei den Renovierungen der letzten Jahre achtete man darauf, die Architektur nicht zu verändern.
Geologisches Institut, Balzerstrasse 1 und 3
Zwischen den kammförmigen Bauflügeln gegen die Nachmittagseite sind Parkanlagen öffentlich zugänglich. Im Inneren wurde die ursprüngliche Farbwahl beibehalten und als einzige Zutat Kunst am Bau zugefügt. Der Künstler zog durch alle Korridore eine dünne rote Linie genau auf 501 m Meereshöhe. Über alle Türen und Fenster weg, durch den Lift und einzig bei einem Treppenabgang hat er sich einen Gag erlaubt, da wird die Linie von Luftballons auf Höhe gehalten.
Die rote Linie in Korridoren und im Treppenhaus
Über einen versteckten Fussweg gelangen wir dann hinter dem Anatomischen Institut und der Pauluskirche vorbei zum Platanenhof von Uni-Tobler. In diesem Teil der Berner Universität für Geisteswissenschaft ist die historische und die theologische Fakultät untergebracht. Bevor hier die Köpfe der Studierenden rauchten, kochte hier Kakao und wurde zur berühmten Toblerone verarbeitet. Nach dem Umzug der Toblerone-Fabrik an den Stadtrand nach Brünnen, konnte in den leeren Fabrikhallen die dringend benötigte Erweiterung der Uni realisiert werden.
Uni-Tobler auf dem Areal der früheren Schokoladefabrik
Der schonende Umgang mit der bestehenden Architektur trug dazu bei, dass Bern 1997 mit dem Wakkerpreis für die Umnutzung von Industriebauten ausgezeichnet wurde. Im ehemaligen Lichthof ist das Herzstück, die Bibliothek, eingebaut. Über mehrere Stockwerke jeweils durch Schleusen überall zugänglich, ist die Bibliothek ein Kulturgut für sich.
Bibliothek in der Uni-Tobler
Von aussen wurde strassenseitig am Bau nicht viel geändert. Auffällig ist aber der neu gestaltete Hof dahinter. Einige ungeordnet herumstehende Häuser wurden abgebrochen und nur ein neues Haus ergänzt die Randbebauung des mit Bäumen neugestalteten Platanenhofs. Auf der Überdeckung der Einstellhalle stehen acht Keramik-Statuen der Künstlerin Elisabeth Langsch und stellen zusammen mit dem blauen Dach des Studentenhauses die neun Musen dar.
Der Platanenhof
Bei fast jedem Wetter und zu fast jeder Tageszeit sitzen dort Studierende vor der angrenzenden Mensa und diskutieren oder geniessen die freie Zeit. Leider wird die Oase mitten im Wohnquartier oft auch zu nachtschlafender Zeit von lärmendem Partyvolk frequentiert und am Morgen danach sieht es entsprechend aus. Das städtische Reinigungspersonal ist nicht zuständig; die Uni selbst muss aufräumen lassen.
Vom ehemaligen Toblerone-Werk sind einzig im Keller hinter Glas noch ein paar alte Maschinen zu sehen, als Erinnerung wie süss das Leben doch zu alten Zeiten hier noch war.
Erinnerungen an die Schoggifabrikation Toblerone sind im Kakao-Keller zu finden
Bilder ohne Quellenangaben vom Autor Erwin Weigand