Die Berner haben auch nicht das Pulver erfunden…
Mit ganzseitigen Zeitungsinseraten feiern sich die Berner StadtschĂŒtzen und ihr zweihundertjĂ€hriges Bestehen mit viel Nostalgie und historisch einseitigen Aussagen. Man trĂ€umt von den Zeiten des Ancien Regiemes und beruft sich auf ein Aufbegehren gegen obrigkeitliche Zensur zu GesĂ€ngen und Ansprachen am SchĂŒtzenfest 1830. Das war angeblich Anlass zur Abdankung der Regierung, und wird als Beweis fĂŒr das Einstehen zur Demokratie angefĂŒhrt. Die Freude am Verkleiden mit altertĂŒmlichen KostĂŒmen sei ihnen belassen und auch der Umzug durch die Stadt. Die BöllerschĂŒsse dazu braucht es eigentlich nicht, denn das einst begehrte “Bernerpulver” ist sowieso verschossen.
Berner Pulver war ein sehr begehrtes Produkt in den frĂŒheren Jahrhunderten. In den Zeiten von stĂ€ndigen KriegshĂ€ndeln musste laufend Schiesspulver nachproduziert werden, die Freud am Chlepfe ist schon alt. Seine Herstellung verlangte Fachwissen und aufwĂ€ndige Arbeitsprozesse. Aus Holzkohle, Schwefel und Salpeter entstand durch Stampfen und Mahlen das explosive Schwarzpulver. Im Kantonsgebiet zĂ€hlte man um 1619 fĂŒnfzehn Pulvermacher, darunter auch einen am Sulgenbach in Bern. Damals wurde auch zur Ăufnung eines eigenen Vorrats der Export in die vom DreissigjĂ€hrigen Krieg betroffenen LĂ€nder eingeschrĂ€nkt.
Das stetig fliessende Wasser der Worble diente seit alters her zum Betrieb von MĂŒhlen und Stampfen. Besonders gehĂ€uft existierten die frĂŒhen Gewerbebetriebe im Gemeindegebiet von Ittigen. Dort an der Worble liefen einige WasserrĂ€der und trieben Mahlwerke fĂŒr GetreidemĂŒhlen, Knochenstampfen, Hammerschmieden und vor allem PapiermĂŒhlen an und daneben eben auch zwei PulvermĂŒhlen. Eine am Schermen wo vor einigen Jahren noch die Leimfabrik Adhesa war und eine dort wo jetzt die Station PapiermĂŒhle der RBS ist. Dort gab es mehrere GebĂ€ude fĂŒr die Verarbeitung der Grundmaterialien zum fertigen Pulver.
So sonntĂ€glich gekleidet wie hier am eidg. SchĂŒtzenfest 1924 in Aarau waren die Haselrutenlieferanten und SalpetergrĂ€ber kaum, wenn sie nach Ittigen lieferten.
Farblithographie von Rudolf MĂŒnger
Die unter den Holzladenbretter versickerte Jauche entwickelte im Humus durch biologische Prozesse den begehrten Salpeter. Die weissliche Schicht wurde heraus geschaufelt und zur Weiterverarbeitung abtransportiert.
Die Pulverer verkohlten die Haselruten und verkochten die salpeterhaltige Erde, die mĂŒhsam aus den Böden unter den KuhstĂ€llen gegraben war. Schwefel wurde aus Italien importiert, weil einheimisches, beispielsweise aus Kandersteg, nicht genĂŒgend vorhanden war. Fein zermahlen durch Mahl- und Stampfwerke und in der richtigen Menge gemischt, war es zu einem brisantes Material geworden und mehr als einmal flog die Sache in die Luft. Immer wieder und hĂ€ufig wiederkehrend wird von Explosionen berichtet. Trotz aller Neuerungen fĂŒr mehr Sicherheit gab es bis Ende 19. Jhdt. immer noch UnglĂŒcke. Mit der GrĂŒndung der Eidgenossenschaft 1848 wurde auch die Pulverfabrikation Sache des Bundes und es wurden grössere FabrikgebĂ€ude erstellt. Bis 1919 blieb die 1891 gebaute Kriegspulverfabrik linksseitig der Worble zwischen PapiermĂŒhle und Worblaufen bestehen, dann verlegte man sie nach Wimmis. Die Anlagen ĂŒbernahm die WORBLA AG und produzierte das aus der analogen Fotografie bekannte Zelluloid. Der unter Denkmalschutz stehende Stufenbau der ehemaligen Worbla liegt an der Pulverstrasse. Die nur noch Einheimischen bekannte Strassenbezeichnung Pulverstutz fĂŒr den Abschnitt der Strasse von der Station PapiermĂŒhle hinauf ins Eyfeld heisst heute PapiermĂŒhlestrasse.
Die Strassenkreuzung Worblentalstrasse mit der PapiermĂŒhlestrasse und der Grauholzstrasse hat jetzt einen Kreisel. Ein Mahlstein der PapiermĂŒhle erinnert an die ehemalige Papierfabrik und die Eisenblechstapel sollen das kostbare Papier symbolisieren.
Das fertige Pulver konnte in HolzfĂ€ssern gut transportiert und aufbewahrt werden. Den Vorrat fĂŒr das Berner Regiment lagerte man in den PulvertĂŒrmen weit ab von bewohnten Gebieten, von denen heute nur noch der StrĂ€ttligturm am Thunersee ein Beispiel ist.
StrÀttligturm
Einer stand bis ins zwanzigste Jahrhundert beim Engemeistergut im Rossfeld wo jetzt das ausgegrabene römische Amphitheater zu sehen ist, ein anderer war das PulverhĂŒsli am Zentweg gegen Ostermundigen zu. Pulverweg heisst das naheliegende StrassenstĂŒck vom Guisanplatz zur Ostermundigenstrasse.
Auf der Landeskarte von 1890 sind die beiden TĂŒrme namentlich eingezeichnet. Die Bahnlinie fĂŒhrt noch direkt ĂŒber die Allmend, die Zent-Giesserei gibt es noch nicht.
1920 macht die Bahn bereits den noch heute aktuellen Bogen, die PulvertĂŒrme gibt es noch.
Wie wirkungsvoll das Berner Pulver war darĂŒber erzĂ€hlt eine Anekdote aus der französischen Revolution die aber sicher frei erfunden ist: Als die Truppen der Jakobiner erfolglos die von den Royalisten gehaltene Stadt Toulon belagerten, wurde der junge Napoleon Bonaparte zum Kommandanten der Artillerie ernannt. Auch seine Angriffe zeigten zunĂ€chst keinen Erfolg. Da meldete sich einer der Schweizer Söldner, der Kanonier Christen KrĂ€henbĂŒhl aus Eggiwil und empfahl das gute Berner Pulver. Aber lest selbst:
So ganz falsch kann es nicht sein was da geschrieben wurde denn Wikipedia berichtet:
Am 25. November 1793 trug Napoleon dem Befehlshaber General Dugommier seinen Plan fĂŒr den Sturm auf die Stadt vor. Dieser fĂŒhrte am 19. Dezember zur Eroberung von Toulon. Der Erfolg war der eigentliche Beginn des Aufstiegs Napoleons. Am 22. Dezember wurde er zum Dank mit nur 24 Jahren zum GĂ©nĂ©ral de brigade befördert.
Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Belagerung_von_Toulon_(1793)#Belagerung
So könnte das Berner Pulver zur Weltgeschichte beigetragen haben, wenn es wahr wĂ€re, aber Munitionslieferungen an kriegfĂŒhrende LĂ€nder waren und sind noch immer ein brisantes Thema.
Die GebĂ€ude der PulvermĂŒhlen sind verschwunden, einzig das Wohnhaus des ehemaligen Pulvermeisters am ehemaligen Pulverstutz und dahinter die VerwaltungsgebĂ€ude der Kriegspulverfabrik gibt es noch. An die explosive Geschichte der der Gemeinde Ittigen erinnert die detonierende Artilleriegranate im Ortswappen und das MĂŒhlenrad gegenĂŒber an die ebenfalls verschwundenen PapiermĂŒhlen.
Die Einzelheiten dieses Berichts sind hauptsÀchlich aus der Ittiger Ortsgeschichte von Hans Gugger entnommen. Ebenso einige Bilder.
Die anderen Fotos und bearbeitete Kartenausschnitte sind vom Autor Erwin Weigand.