Der Gerbergraben ist verschwunden
Wo heute die Achse von der KornhausbrĂŒcke zur KirchenfeldbrĂŒcke mit dem Kornhausplatz dem Theaterplatz und dem Casinoplatz ist, war zur Zeit der StadtgrĂŒndung ein natĂŒrlicher Graben. SpĂ€ter haben die Berner dort eine Stadtmauer mit WehrtĂŒrmen errichtet, von denen noch der Zytglogge erhalten geblieben ist.
Zwei BrĂŒcken fĂŒhrten ĂŒber den Graben, eine beim Zytgloggen, dem Westtor und die HumbertusbrĂŒcke zum Predigerkloster. SĂŒdlich beim heutigen Frickweg, zog sich die Mauer bis hinunter zur Aare und dem Marzilitor. Beim BarfĂŒsserkloster schloss eine hohe StĂŒtzmauer den steilen Abhang zum Graben ab.
In der so fest umschlossenen Stadt betrieben verschiedenste Handwerker ihr Gewerbe je nach Bedarf an anderen Standorten in den Gassen. Sehr frĂŒh schon, um 1200, hatte man den Stadtbach durch die Gassen geleitet und sein Wasser brachte vielfĂ€ltigen Nutzen. Oben fĂŒr allerlei Reinigungszwecke, weiter unten nutzten die MĂŒller seine Antriebskraft und auch die Gerber spĂŒlten und weichten mit dem Wasser die HĂ€ute. Der Bach war wohl zeitweise mehr ein ĂŒbelriechender Abwasserkanal. Das Prinzip der kurzen Wege hatte die Gerber in die NĂ€he der Metzger und SchlachthĂ€user gebracht, aber den BĂŒrgern wurde der durch den Gerbvorgang verursachte Gestank sehr lĂ€stig und darum wurde 1326 die “anrĂŒchige” Gerberzunft vor die Tore verbannt. Im gut durchlĂŒfteten, nun Gerbergraben genannten Stadtgraben an der Klostermauer konnten sie weiterarbeiten. Extra fĂŒr die Gerber wurde Wasser vom Stadtbach abgezweigt, das dann ohne weiteres in die Aare floss.
Die Metzger lieferten die rohen HĂ€ute, die dann gewaschen, mit Schabeisen von Fleischresten gesĂ€ubert und anschliessend mit Asche und Kalk eingerieben wurden. Damals war das heute dafĂŒr verwendete Salz zu teuer, deshalb benutzte man Asche zur Konservierung. Der eigentliche Gerbprozess begann erst danach in den Lohgruben. Die Gerber schichteten die vorbereiteten TierhĂ€ute in die Grube und streuten grob gemahlene Fichten und Eichenrinde als Gerbmittel dazwischen â die sogenannte Lohe. Die mit Holzladen abgedeckte Grube fĂŒllten sie mit Gerbstofflösung auf. Nach einem Jahr GĂ€rung in der Jauche war der Gerbprozess abgeschlossen. Danach hĂ€ngte man die HĂ€ute unter dem Dach zum Trocknen auf, bevor sie zur Verarbeitung an Sattler und Schuhmacher gingen. Leder war und ist ein wertvoller Werkstoff und so ist es nicht verwunderlich, dass die Gerberzunft zu einer der einflussreichsten Gesellschaft in Bern wurde. Als um 1430.der nördliche Teil des Grabens aufgeschĂŒttet war, baute die Gesellschaft zu Ober-Gerwern dort ihr Zunfthaus.
Das noch heute bestehende GebĂ€ude am Theaterplatz 2 mit dem hohen Treppenhaus, genannt “Gerwernturm”, wurde 1565/67 an dessen Stelle erstellt.
Im Gerbergraben. Treppen und BrĂŒcken. Hinten wird vom Sattler und seinen Gehilfen eine Rosshaarmatratze aufgearbeitet.
Den wichtige Gerbzusatz, die Lohe, wurde durch mit Wasserkraft betriebenen Stampfen aus zerkleinerter Eichenrinde nahe den Gerbereien hergestellt. Die gleichen Betriebe zerstampften auch Knochen zu Pulver, noch heute benutzt man fĂŒr natĂŒrliches GĂ€rtnern Knochenmehl als DĂŒnger. Ein weiteres im Gerbergraben angesiedeltes Gewerbe waren Knopfdrechsler und Kammmacher. Ihnen dienten ebenfalls Knochen und Kuhhörner als Rohstoff fĂŒr ihre Erzeugnisse. Die Knopfdrechsler nannte man auch “Paternosterer”, weil sie auch Perlen fĂŒr RosenkrĂ€nze herstellten, einem wichtigen Requisit der Frömmigkeit auch im vorreformatorischen Bern.
Im Jahr 1488 wurde das Untere-Gerbhaus an die Gerberngasse in der Matte versetzt Es befand sich vorher unterhalb der “Niederen Brotschaal” rittlings auf dem Stadtbach in der Gerechtigkeitsgasse. Der Gerberngraben wurde im Laufe der Zeit weiter aufgefĂŒllt, das Theater und die Polizeiwache wurden gebaut, anstelle des BarfĂŒsserklosters thronte dort die Hochschule und gegenĂŒber die MĂŒnzstĂ€tte des Standes Bern. Nach der GrĂŒndung der Eidgenossenschaft 1848, ĂŒbernahm der Bund die Berner MĂŒnz und prĂ€gte dort den neuen Schweizer Franken. Die letzten Gerber verliessen erst 1878 den Platz. Die WohnhĂ€user im tiefeingeschnittenen Graben hatten ihre mit BrĂŒcken von der MĂŒnzseite erreichbaren HauszugĂ€nge in den oberen Stockwerken. Nach 1880 entstand die KirchenfeldbrĂŒcke und als Zufahrtsweg ein mit Rundbögen gemauertes Lehnenviadukt an der Hochschulmauer. 1904 ersetzte das Casino den Hochschulbau.
Die neue Eidgenössische MĂŒnzwerkstĂ€tte wurde 1903-1906 im Kirchenfeld gebaut und an Stelle der alten, das Hotel Bellevue. Sein Restaurant “Zur MĂŒnz” erinnert noch an die alte Zeit.
Der Gerbergraben hiess fortan vornehmer “MĂŒnzgraben” aber im Graben selbst war nur die “Silberstrecke”, die Silberbarren “streckte” aus denen die MĂŒnzen gestanzt wurden.
KirchenfeldbrĂŒcke im Bau
Casinoparking heute
Ein Bogen des alten Lehnenviadukts besteht noch in der Garage
Mit dem Bau des Casino-Parkings und der Bellevue-Garage 1937, verschwand auch der letzte Rest des ehemaligen Stadt-Gerber- oder MĂŒnzgrabens.
Nur noch ein Broncerelief von Etienne Perincioli am Gerberngrabenbrunnen zeigt wie es damals ausgesehen hat und das Haus Nr. 1 am MĂŒnzrain hat als Kuriosum den Eingang im Dachgeschoss.
Die ehrbaren GerberzĂŒnfte schlossen sich zusammen und bestehen weiter als Gesellschaft zu Ober-Gerwern die ihr Gesellschaftshaus an der Marktgasse 45 hat. Bereits im 14. Jahrhundert hatten sie das Venneramt ĂŒbernommen und ihnen unterstand das Gerberviertel, das sĂŒdöstliche Quartier zwischen Gerechtigkeitsgasse und Kreuzgasse mit dem Landgericht Zollikofen und ausgedehnte LĂ€ndereien im Emmental. Die Gerberei wurde immer mehr Nebensache und im 18. Jahrhundert befasste sich die Gesellschaft nur noch mit der Politik. Namhafte Persönlichkeiten zĂ€hlten zu ihren Mitgliedern, darunter Niklaus Manuel gen. Deutsch, Beat Fischer GrĂŒnder der Bernischen Post, Albrecht von Haller GrĂŒnder der UniversitĂ€t und der letzte Schultheiss Niklaus Friedrich von Steiger. Mit der Gerberei hatten alle nichts zu tun, aber alle trugen Lederschuhe und nur der stolze schwarze Löwe im Zunftwappen hĂ€lt noch das Schabeisen der Gerber hoch.
Aktuell sind noch in Steffisburg, Oberdiessbach, Huttwil und in Langnau Gerbereien tÀtig.
Wie eine moderne Gerberei arbeitet, wird mit der Fotogalerie der EMME-Gerberei gezeigt: http://www.emmeleder.ch/index.php/gallerie
Noch sorgfÀltiger geschieht die Fellgerberei bei Neuenschwander in Oberdiessbach: http://www.neuenschwander.ch/cd/html/produktion-frame.html#
Bilder wurden von Erwin Weigand zusammengesucht oder selbst aufgenommen