Leben mit Hirn und Handy
Was haben alle Menschen gemeinsam? Richtig, einen Kopf; mit Augen, Ohren, Mund und Nase. Eine geniale Kombination von Wahrnehmungsorganen, die alle mit der Zentrale, dem Gehirn, verbunden sind und kommunizieren. Ja, ich weiss, da kommt noch die Haut dazu und noch ein Vielfaches an Sensoren und Organen im Innern des Körpers, die ihre Informationen senden. Eine geniale Erfindung, Schöpfung, Entwicklung oder wie Sie das nennen wollen.
Aber das Gehirn ist keine Maschine, die einfach lĂ€uft und lĂ€uft. Es ist Ă€usserst störanfĂ€llig und fragil, trotz Velohelm. Wir werden alt, abgenĂŒtzt, mĂŒde, vergesslich, krank, reparatur- und servicebedĂŒrftig. Da kommt uns heute die Technik wieder einmal mehr zu Hilfe. Wir haben es schon immer verstanden, das Leben angenehmer, sicherer, bequemer, schneller und leichter zu machen. Das Rad entlastete die FĂŒsse, der Motor die Muskelkraft, der elektrische Strom ersetzte das Kohleschaufeln.
Ja und jetzt droht auch das Gehirn ersetzt, zumindest aber entlastet zu werden. Was tragen denn viele Menschen mit sich herum? Richtig, ein Handy. ES scheint ein Teil dieser ZeitgenossInnen zu sein. ES ist in stĂ€ndiger Bereitschaft, meist in der Hand oder griffbereit. Da rufen sie ihre Informationen, Adressen, ihre Kontakte, den Standort und ihr Bankkonto ab, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Sie nehmen die Umwelt durch das Auge der Kamera wahr, suchen – wo auch immer sie sich befinden – das GesprĂ€ch mit Freunden und Bekannten; die reale Umwelt und die Menschen in der NĂ€he rĂŒcken dabei weit in die Ferne. Die Termine sind im elektronischen Kalender synchronisiert abgespeichert. Die Kommunikation hat ein kleines externes GerĂ€t ĂŒbernommen. Es scheint, ohne dieses Ding fehle der halbe Kopf, das halbe Hirn.
Das gibt mir zu Denken. Wir nennen diese Entwicklung Fortschritt. Unbestritten ist, dass die sogenannte Informations-Technologie (IT) in vielen Bereichen als nĂŒtzlich und als Erleichterung bezeichnet werden kann. Ich geniesse es heute, keine Filme mehr fĂŒr die Kamera kaufen zu mĂŒssen und die Bilder gleich selber entwickeln und gestalten zu können. Es ist auch sinnvoll, FahrplĂ€ne, Telefon-, AdressbĂŒcher und Lexika nicht mehr periodisch in Papierform zu drucken, um nur ein paar Beispiele anzutippen. Aber unser altes Telefon wird bald seinen Dienst quittieren mĂŒssen. Wir werden gezwungen, alle Kommunikation ĂŒber das Internet abzuwickeln und die Wohnung mit den Funksignalen aus der Antenne des sog. Routers voll zu stopfen.
Wie lange geht es, bis ein miniaturisiertes GerÀt in unseren Kopf eingepflanzt wird und ferngesteuert seine Funktionen abgerufen werden können? Horrorvorstellungen wie es sich selbst Orwell (1984) nicht vorstellen konnte. Wie lange geht es, bis der letzte Mensch ohne Handy ausgestorben ist?
Ja, ich habe auch eins, aber die Nummer verrate ich nicht. Es ist selten eingeschaltet und dient nur fĂŒr den Notfall. Aber Sie finden mich immer auf der Webseite fĂŒr die Ă€ltere Generation unter
www.seniorbern.ch
Titelbild: Bernd Kasper / pixelio.de