Bärehöck-BerichteMagazin

Tage der Orgel mit dem Bäre-Höck 2013

Eine Orgel – natürlich, klar, praktisch in jeder Kirche steht eine, mehr oder weniger beeindruckend erleben wir ihren Klang. Aber was wissen wir eigentlich von diesem Instrument ? abgesehen davon, dass die Orgel mit ihren Pfeifen imposant und riesig zuhinterst im Kirchenschiff „hängt“, dass sie bestimmt über eine komplizierte Steuerung durch Manuale und Pedale bedient wird, dass sie viel Luft braucht…

Letzthin stand ich vor den Orgeln der St-Ursen-Kathedrale in Solothurn und hätte ein paar Fragen dazu gehabt, aber niemand war da, um sie zu beantworten. Das war der Beginn einer kleinen Suche nach Informationen zu Orgeln.

Und nun folgte der nächste Schritt, der Orgel-Tag mit dem Bäre-Höck.

Am 26. März 2013 luden wir ein zu zwei Führungen an zwei verschiedenen Orten:

Zwei Meister an der Orgel

In der Stadtkirche Burgdorf (Bau von 1471 bis 1490) finden sich zwei Orgeln, die Hauptorgel, die auf dem kostbarsten spätgotischen Lettner der Schweiz (1512 vollendet) steht, sowie die Schwalbennest-Chororgel.

Die Firma Orgelbau Thomas Wälti in Gümligen führt in ihrem Werksverzeichnis 176 neugebaute Orgeln und zahlreiche Restaurationen im In- und Ausland. Im Moment und bis gegen Ende März wird die Orgel der Würzbrunnenkirche ob Röthenbach restauriert, eine Orgel aus dem Jahr 1785 (siehe Bild). Dies war auch ein Grund für das kurzfristige Ansetzen dieses Anlasses.

 Den Ausflug hat Jean Pierre Guenter ausgeheckt, weil ihn das Innenleben einer Orgel schon lange interessierte und er die passenden Kontakte fand, diese Neugierde zusammen mit weiteren Orgelwürmern zu stillen. Schon nach kurzer Zeit war der Anlass ausgebucht, auch darum, weil infolge der Platzverhältnisse nur 20 Teilnehmer aufgenommen werden konnten.

So führte uns die Bahn an diesem kalten, verschneiten Frühlingstag zuerst nach Burgdorf, wo uns Jürg Neuenschwander, der bekannte Organist an der Stadtkirche, in die Welt der grössten Instrumente der Welt, die Orgel, einführte.

Orgeln kauft man ja nicht ab der Stange. Jede ist ein Originalwerk für den jeweiligen Standort und Zweck. So hat die Burgdorfer Stadtkirche gleich deren zwei verschiedene Instrumente, die unabhängig voneinander gespielt werden. Die kleinere der beiden hängt buchstäblich wie ein Schwalbennest im Chor der Kirche.

Mit ausserordentlich fundiertem, kompetentem Wissen und in urchigem Emmentalerdialekt stellte uns Jürg Neuenschwander zuerst diese kleinere, kompakte Chororgel vor. Er verriet uns, durch welches Fensterchen er eine Reihe von Zungen schnell selbst stimmen kann. Sodann spielte er darauf aus seinem Spezialgebiet ein Volkslied des bekannten Emmentaler Jodlerkomponisten Adolf Stähli (1925 bis 1999). Kein Problem für den, der weiss, wie er die Töne mit viel Feingefühl auf den Tasten hervorlocken muss, damit die Musik dem Stil entsprechend richtig klingt. Ein Video, das ich mit der kleinen NIKON aufgenommen habe, lässt seine witzige Präsentation und das volkstümliche Lied für seinen Freund Adolf Stähli erklingen.

Hier klicken, Ton an und miterleben!

Der nächste Teil folgte auf der Empore der Hauptorgel.

In diese Geheimnisse des Orgelspiels mit all seinen Nuancen weihte er uns auf der grossen, dreimanualigen Hauptorgel ein. Hörbar und anschaulich liess er uns den ganzen Tonumfang des Orgelwerkes erleben, verriet uns aber auch die Funktionen der Register und deren Einrichtung durch die vielen Schalter und Knöpfe über, neben und unter den Manualen, mit deren Kombinationen er Tausende von Tonvariationen hervorbringen kann. Dabei hilft ihm seit ca. 2 Jahren ein Computer, dem er die Folge der Registereinstellungen vorab einspeichern und auf Knopfdruck (von Hand oder mit dem Fuss) abrufen kann. Zu sehen ist dies, weil sich dabei die Schalter wie von Geisterhand bewegen!

 

Lion King von Elton John, auf der Orgel interpretiert! “Heute muss es auch in der Kirche swingen, sonst hören die jungen Leute nicht hin”, meint Jürg Neuenschwander.

Für mich als ehemaliger Klavierschüler, der es nach Jahren ermüdlichen Übens knapp mit zwei Händen über Cerny und Chopin zu ganz einfachen Bachmelodien gebracht hat, ist es jedesmal ein höchst verwunderliches Erleben und Bewundern, dass der Organist auf mehreren Ebenen und mit Händen und Füssen gleichzeitig die Fülle der schwarzen Noten über die Augen umsetzen und zugleich noch die Qualität des Klangs an den Raum anpassen kann.

Zu Füssen des Meisters bleibt einem wirklich der Mund offen und das Staunen im Gesicht!

Herzlichen Dank nochmals dem Meister; er hat uns eine spannende und höchst anschauliche Lektion an “seiner” Orgel erteilt. (Nachtrag: Leider ist Jürg Neuenschwander am 23. 03. 2014 unerwartet verstorben.)

Hier noch ein weiteres Video von Jürg Neuenschwander.

Im Schneetreiben wanderten wir wieder dem Bahnhof zu. Das 11 Uhr-Geläute der Stadtkirche von Burgdorf begleitete uns dabei mit einem wunderschönen Dreiklang.

In Gümligen erwartete uns der “Mattenhof”, d. h. die Brasserie Mattenhof, mit gedeckten Tischen für eine wohlverdiente Verpflegung in der warmen Gaststube.

Die zweite Lektion unseres Orgeltages spielte sich in der Werkstatt des Orgelbaumeisters Thomas Wälti im Zentrum Füllerich, Gümligen, ab. In der Werkstatt arbeiten heute 6 Angestellte in verschiedenen Funktionen. Die jüngste Mitarbeiterin hat kürzlich ihre Lehre als Orgelbauerin abgeschlossen – als eine der schweizweit drei Lehrlingen.

Thomas Wälti führt den Betrieb in der dritten Generation. Sein Grossvater Ernst Wälti eröffnete anfangs des letzten Jahrhunderts in Bern seine Orgelbauwerkstätte. Es gibt in der Schweiz nur wenige Orgelbauer. Unter den Hunderten von Namen aus den zurückliegenden 2 – 300 Jahren stammen die meisten aus dem Deutschen Raum. Thomas Wälti erzählt sehr engagiert über die Kenntnisse, Baustile, Techniken, die sich die alten Meister aus Erfahrungen, Erfindungen und durch den Austausch untereinander erworben und weitergegeben haben.

Zur Zeit wird, wie schon bekannt, die kleine Orgel des Würzbrunnen-Kirchleins von 1785 restauriert, da der Einbau einer Heizung dem Holz so zugesetzt hat, dass sie unspielbar geworden war. Und dies ausgerechnet in einer beliebten Hochzeits- und berühmten Gotthelf-Film-Kirche. Sie wird aber nicht nur restauriert sondern sogar teilweise rückgebaut im Sinne der alten Techniken und Materialien. So sind uns zwei riesige Blasebalge aufgefallen, die aus dem Estrich hervorgeholt, repariert und wieder eingebaut werden. Sie müssen jedoch mit Menschenkraft betrieben werden, nicht mit dem Elektromotor! Ein Windmacher wird also gesucht.

Staunend stehen wir vor der Windlade, vor den Eingeweiden und den freigelegten “Organen” und Trakturen, die die Luft vom Ventil unter den Tasten bis zu den entsprechenden Orgelpfeifen in den gewählten Registern transportieren. Ein raffinierstes System, im Unterschied aber zu einem PC-Prozessor absolut begreifbar!

 Die Meisterleistung wird anhand dieses Werkes sofort sichtbar. Die Details müssen im Blick auf das Material und die Verarbeitung so sorgfältig und exakt eingesetzt werden, dass die Instrumente wiederum eine lange Zeit – 50 oder 100 Jahre – ihren Dienst tun können, so wie es eben die alten Meister geschaffen hatten.

Etwas Pfeifenkunde erteilt uns Thomas Wälti an einer Demokiste.

Verschiedene Formen und Bauarten der Metall- und der Holzpfeifen entsprechen eben den vielfältigen Klängen des universellen Instruments. Dies lässt sich hier auf  Knopfdruck hören.

Die Werkstatt ist aber nicht nur auf Restaurationen und Reparaturen spezialisiert, sondern erarbeitet auf Bestellung auch neue Orgeln. Das entdecken wir so nebenbei und sehen die wunderschöne Hand-Arbeit, die hier ohne Massenware, Akkordlohn und ohne Plasticmodule auskommen muss. Es entsteht ein Unikat, eine Neuschöpfung. Wie glücklich muss es sein, an diesen Prozessen teil zu haben!

Zum Schluss noch ein paar foto-grafische Eindrücke aus der Linse der Kamera und der gewählten Perspektive des Fotografen. Sie zeigen Details in Reihen und auch eine kleine Demonstration des Schärfebereiches!

Auch diesem Bau-Meister der Orgel unser herzlicher Dank für den Einblick, den er uns während der zwei Stunden in seiner relativ engen Werkstatt vermittelte. Mit reich gefülltem “Rucksack” trollten wir uns durch den Schnee wieder den warmen eigenen Stuben entgegen und freuen uns jetzt auf die Osterfeiertage.

Liebe Grüsse den Orgelwürmern und allen, die meinen Bericht bis zu Ende gelesen haben 😉
WillY

6. Juni 2013

Die Orgel der Kirche Würzbrunnen spielt wieder!

Einige Leser erinnern sich vielleicht noch an den sog. “Orgeltag”, den Jean Pierre Guenter während der Renovation der Würzbrunnen Kirchenorgel in Burgdorf und in der Werkstatt des Orgelbauers Wälti in Gümligen Ende März 2013 mit dem Bäre-Höck durchführte. Im Bericht “Zwei Meister an der Orgel” kann man es nachlesen. Schon damals wurde vereinbart, dass wir die kleine Orgel wieder besuchen werden, wenn sie eingebaut und gestimmt wird. Das war eben gestern, am 6. Juni 2013, der Fall.

Zum Ausgleich des kalten und verschneiten Orgeltages von Ende März wurde uns ein sonniger, warmer Sommertag beschert. Das mag einzelne Teilnehmer bewogen haben, Würzbrunnen auf individuelle Weise anzugehen. So wählte auch ich die Anreise mit dem Auto von Bowil aus über den Hoger auf den Aussichtspunkt “Chuderhüsi” mit dem gleichnamigen Restaurant und dem Holzturm auf über 1000 Meter. Auf dem Waldweg zum Turm begegnete ich Walter Diener, unser Wanderleiter und Moderator im Forum Reisen.

Auf dem Aufstieg zum Turm über 195 Stufen kamen mir amara und Werner entgegen. Leider sind die Bilder, die ich zu ihrer Überraschung machen wollte (ich wusste, wer da oben war und nächstens um die Ecke kam), nichts geworden. Ich bin drum noch am Üben mit der neuen Kamera!

Auf den vereinbarten Zeitpunkt trafen dann alle Teilnehmer beim Schöpfli-Kafi in der Nähe des Kirchleins ein, wo uns Erwin Weigand erwartete. Auf der Talfahrt vom Chuderhüsi nach Röthenbach liegt Würzbrunnen auf halbem Weg, aber immer noch auf einer flachen Terrasse in ca. 900 Meter Höhe.

Wie üblich im Emmental erwartete uns ein einfaches Mittagessen mit Hamme (heisser Schinken) und Kartoffelsalat und als Beilage grüner Blattsalat an meiner Lieblingssauce! Wir hatten gemütlich Zeit, draussen an der Sonne oder unter dem Schirm zu sitzen und liessen es uns nicht nehmen, auch eine zünftige Meringue zu verdrücken; Ruth wie immer: eine ganze natürlich!

Pünktlich um 14.30 Uhr erwartete uns Herr Pittet, der Orgelbauer und -Stimmer in der Kirche, oben auf der Empore, wo die Orgel bereits montiert ist und alle Pfeifen im Schrank stecken.

Er informierte uns darüber, dass die bei der letzten Renovation leicht erhöhte Stimmung der Orgelpfeifen jetzt wieder rückgängig gemacht wurde. Das hiess, jede einzelne Pfeife in der Länge wieder ein Stück anzusetzen, einen Blechstreifen anzulöten oder den Holzpfeifen eine Verlängerung anzuleimen. Jetzt, wo er die insgesamt ca. 3-400 Pfeifen in 9 Registern wieder aufeinander abstimmen muss, kann er die Länge oben wieder so schaben, drücken oder feilen, dass sie für die nächsten xxx Jahre wieder rein tönen werden. Er demonstrierte uns dies anhand einzelner Metallpfeifen und spielte dann selbst ein Musikstück vor.

Der elekronische Gerätebalken vor der Tastatur hilft dem Stimmer als Assistent, die einzelnen Töne per Fernsteuerung von hinten auszulösen; sonst müsste er ja ständig hin und her rennen. Wir konnten nicht feststellen, dass da noch ein Ton daneben schwingt. Es sollte also klappen am nächsten Sonntag, wenn die Orgel zum ersten Mal wieder zum Gottesdienst aufspielt. Ein Blick ins Innere dieses königlichen Instruments:

Die Luft, die erst die Töne ermöglicht, kann jetzt auch wieder mit den alten beiden Blasbälgen im oberen Stock erzeugt werden, per Fusstritt!

Es ist aber auch ein Elektromotor eingebaut, weil man ja nicht immer zwei Tramper anstellen kann, um die Orgel mit Luft zu versorgen. Damit die Blasbälge nicht unter Überdruck platzen, ist eine Sicherung eingebaut. Auch die Blasbälge waren in der Werkstatt und wurden sorfältig restauriert.

Wir sind Herrn Pittet ausserordentlich dankbar, dass er sich die Zeit für uns genommen hat. Für die Neustimmung der Orgel brauchte er mehrere Tage. Für eine Nachstimmung in der Regel einen einzigen Tag.

Unterdessen traf Frau Gerber, die Organistin und “Fremdenführerin” ein und lockte uns vorerst an ein schattiges Plätzli vor dem Kircheneingang ins Freie. Die Geschichte und die Geschichten der Kirche sind alt, witzig und z. Teil aus den Büchern von Gotthelf und den entsprechenden Filmen bekannt. Frau Gerber verstand es, uns diese in ihrem bhäbigen Emmentaler Dialekt lebendig zu erzählen.

Die Uhr am Turm hat nur einen einzigen Zeiger. Er zeigt die Stunden an, “das längt”!

Um die Kirche liegt der Friedhof dieses Gemeindeteils von Röthenbach. Aber es ist nicht mehr möglich, Erdbestattungen durchzuführen; es werden nur noch Urnen in die Erde versenkt. Der Boden ist sehr lehmhaltig. Bei der Erneuerung der Gräber hätte man die Leichen “noch fast alle gekannt”, so gut seien sie erhalten gewesen! Eine ältere Bäuerin konnte sich mit diesem Verbot nicht anfreunden und meinte: “man solle doch damit noch zuwarten, bis alle Alten gestorben seien!”

Interessant ist, dass die Kirche wohl einmal dem Heiligen Stephanus geweiht worden ist. Er kommt gleich vier Mal in Malereien vor dem Eingang und im Innern der Kirche vor; sein Kennzeichen: Eine Beule am Kopf und Steine in der Hand oder um ihn herum. Auf dem ersten Bild oben die linke Figur.

Das farbige Glasfenster im Chor wurde von der Stadt Bern gestiftet und stellt den Heiligen Vinzenz dar. Ein passender Bruder zu St. Stephanus, auch ein Diakon und Märtyrer der frühen Kirche.

Zum Schluss spielte auch Frau Gerber (Organistin der Kirchgemeinde) noch ein Werk, ähnlich wie in Burgdorf seinerzeit Jürg Neuenschwander, ein heimatliches Jodellied aus der Literatur von Stähli. Es kam mir jedenfalls sehr bekannt vor. Schade, ich dachte diesmal nicht daran, mit der kleinen Nikon ein Video aufzunehmen, sonst könnte ich euch hier wieder echte Emmentaler Musik in die Ohren flüstern!

Herzlichen Dank nochmals für diesen wunderprächtigen, gemütlichen, interessanten, witzigen Tag an die Organisatoren Jean Pierre und Erwin. Wir sassen noch lange vor dem Schöpfli-Kafi und genossen das Gespräch und die Begegnungen sehr. In Sichtweite die helle kleine Gotthelfkirche von Würzbrunnen. Jederzeit ein Ausflug wert.

Mit lieben Grüssen
WillY

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