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Trinkwasser für Bern

Als Herzog Bärchtold von Zähringen damals vor tausend Jahren auf der Geländesporn über der Aareschleife eine Burg bauen liess, hatte er nicht bedacht, dass mit den Jahrhunderten um diese erste Siedlung Nydegg eine grosse Stadt entstehen würde. Die Bewohner in der Burg und auch die unten in der Matte an der Aare, brauchten um zu überleben vor allem genügend Trinkwasser. An der Matte unten traten mehrere Quellen zu tage, aber zur Burg oben floss weder ein Bach, noch gab es Quellen. Deshalb liess der Burgherr im Burghof einen Sodbrunnen bis aufs Grundwasser auf Aarehöhe abteufen. Das heisst: In Schwerstarbeit musste der Brunnenschacht ausgegraben und ausgemauert werden. Dann konnten die Knechte und Mägde mittel Haspeln an Seilen gebundene Kübel hinunterlassen und gefüllt mit Wasser hochwinden. Mühsam, wenn man bedenkt was ein Rind oder Ross am Tag säuft. Den Sodbrunnen finden wir noch heute schön restauriert im Nydegghöfli.
Nydeggbrunnen, am Nydegghöfli

Über den Halsgraben zwischen der Burg Nydegg und der sich nördlich auf der Halbinsel wachsenden Stadt muss es wohl eine Brücke gegeben haben, so jedenfalls hat sich das der Architekt und Historiker Rodt vorgestellt.

Die Nydeggburg, Rekonstruktion nach Mauerresten

Die Zähringerstadt wuchs zunächst bis zur Kreuzgasse und weiter bis zum Zytglogge. Für die durstige Bevölkerung brauchte es öffentliche Wasserstellen. Das waren einmal der Lehnbrunnen an der Postgasse, den man noch als historisches Denkmal besichtigen kann und den noch immer freilaufenden Stettbrunnen an der Brunngasshalde. Wohlhabende liessen sich in ihren Höfen eigene Sodbrunnen graben, doch das gemeine Volk war auf die öffentlichen Brunnen angewiesen.
Stettbrunnen, an der Brunngasshalde

So heisst es in alten Schriften: «Vormals musste meniglich wasser reichen zum Lehnbrunnen, zum stettbrunnen im Graben und der steininen Brugg unter den predigern und ze schegkenbrünnen oder zu den predigern im Chrützgang.» Das Wasser dort war kaum einwandfrei und man suchte von ausserhalb, sauberes Quellwasser zu beziehen. Zum bequemeren Bezug wurden bald auch Stockbrunnen aufgestellt, unten an der Nydeggbrücke der Läuferbrunnen, am unteren Ende der Gerechtigkeitsgasse am Schwendplatz und in der Junkerngasse, sowie in der Post- und der Metzgergasse und in der Herrengasse, alle zunächst ohne die Figuren. Die dazugehörigen Brunnentröge waren vermutlich mit Holzträmeln gebaut worden und wurden im Laufe der Zeit durch steinerne ersetzt. Das für die Brunnen nötige Trinkwasser musste mit Teuchelröhren zugeleitet werden.

Läuferbrunnen

Den Läuferbrunnen speiste ab dem Ende des 14. Jahrhunderts eine Quelle bei der Sandfluh unterhalb des Aargauerstaldens, von wo mit Röhren das Wasser über die Brücke hinüber geleitet war. Von dem vorherigen Zustand in der Matte schreibt Justinger: «Und was ein gross notdurft, won wie trüb und unrein die Aare war, so hatte die daniden kein ander Wasser». Im Lauf des 15. Jh. wurden mit der Stadterweiterung weitere Brunnen gebaut. Dank den damals neuartigen Teuchelröhren konnten die Quellen von weiter her, etwa bei der Bächtelen am Gurten, genutzt werden. Von der Enge kam eine Leitung durch das Golatematttor zum Waisenhausbrunnen, sie speiste später nur noch das Henkerbrünnli.

Deuchelbohren am Gotthäufmärit

Für alle die Brunnen musste bald mehr Wasser zufliessen, deshalb gab es Bestrebungen die Quellen der Brunnmatt zu nutzen. Dafür wäre es nötig gewesen das Wasser zur über zehn Meter höhergelegenen Brunnstube vom Küngsbrunnen zu heben.  An diesem Problem sollten in der Folge mehrere selbsternannte «Fachleute» scheitern.  So machte es sich «im Jahr 1481 ein Brunnen- und Zimmermeister namens Walch aus Orb anheischig, den Küngsbrunnen in die Stadt zu leiten.» Der Rat der Stadt stellte im Holz und Arbeitskräfte zur Verfügung um Gräben auszuheben und die Röhren zu bohren. Fast ein Jahr dauerten die Arbeiten und es wurde sehr tief «nach dem Pfulment (Fundament) gegraben und viel schöne Bauhölzer aus dem Bremgarten verbouen». Als man schliesslich das Vorhaben als aussichtslos aufgeben musste, hatte die Stadt ausser dem Schaden noch den Spott der Nachbarn zu tragen. Auch den folgenden Versuchen eines Barthlome Isenhut aus Basel, der 1508 den «Stettbrunnen herufbringen» wollte, sowie eines «frömden Meisters», der 1512 «den Küngsbrunnen wollte harin legen» und um 1515 eines Ullrich Studer war kein Erfolg beschieden. Offenbar wegen dieser Fehlschläge warnte der Rat vor einer weiteren Verfolgung der Pläne, doch 1549 wollte trotzdem ein Zimmermann namens Ruttschin den «küngsbrunnen machen», scheiterte aber gleich seiner Vorgänger. Erst Niclaus Strasser, einem Pfarrer aus Stallikon bei Zürich gelang 1485/86 die Lösung.

Brunnenpumphaus in der Brunnmatt
Das Ratsmanual vom 7. Dezember 1584 enthält folgende Eintragung: Küngsbrunnen. Herr Niclaus Straßer, so sich vermögen den Küngsbrunnen in die Stat zu leiten und in sinen eigenen kosten ein muster zu seinem vorhaben allhar gefertiget und das letzt »erschienen samstag probiert und damit den gemelten brunnen unzit (bis) uff das brügglin über den wpttenbach (Stadtbach) pracht und allda zu vier rören uß laufen lassen, darbei ein guter theil miner der Rhäten und Burgern grin, die das werch gesehen wärschaft gefunden u, Hat sölich klein muster zu verschont und sich siner diensten anpoten. Daruff geraten es sölle imme solich klein muster abgenommen und ime anstatt ouch für sin müy und arbeit dryßig Kronen münz vergüt werden. Und sölli man nun zu Ußtagen das groß werch und die Zuleitung des brunnens fürnehmen und er sich alsdann wiederumb allhär verfügen das werch zu vollzüchen und etliche unterwysen hernach des in ehren zehalten und wenn es von nöten zu verbessern.”

Dieser Niclaus Strasser mußte sich wiederholt vor dem S. M. (Sanctum Ministerium?) verantworten. Er war ein hitziger, jähzorniger Mensch, fluchte auf der Kanzel; war sachgierig und unfreundlich. Schließlich wurde er 1595 wegen Ehebruch als Pfarrer abgesetzt. Die Notiz schließt mit den Worten: „végétas et robusto corpore,

Plan der Küngsbrunnenfassung

Aber sein Kunststück, die Wasserkunst vom Küngsbrunnen war ihm gut gelungen. Die technische Lösung war folgende: Oberhalb dem anfangs erwähnten Brunnenpumphaus entsprangen zwei Quellen nahe beieinander. Später (1816) kam noch eine Quelle aus dem Tscharnergut am Sulgenbach hinzu. Die eigentliche Küngsquelle hatte aber eine eigene Brunnstube. Diese Quellen lagen auf Quote 535, während der Christoffelplatz die Quote 545 hatte. Um das Wasser in die Stadt zu bringen, musste es um mindestens 11 Meter, d. h. auf die Höhe des Stadtbaches in der Freiburgstraße gehoben werden. Damals waren aber Druckpumpen zur Hebung größerer Wassermassen noch nicht bekannt. Vor dem Jahre 1599 waren zum Feuerlöschen nur hölzerne oder messingene Handspritzen im Gebrauch, wie solche im historischen Museum zu sehen sind. Sie hatten noch keine Ventile. Man zog das Wasser durch Zurückziehen des Stempfels ein und spritzte es an der gleichen Stelle wieder aus. Strassers Pumpen waren mit ledernen Scheibenklappen bestückt, die er wohl von antiken Vorbildern kannte. So wurde es in der «Berner Woche» von 1927 beschrieben und bebildert:


Skizzen zum Brunnenpumpwerk

Als Triebmittel für die drei hintereinander gestaffelten Wasserräder wurde das Warmbächli benutzt und bei Bedarf auch Wasser vom Stadtbach. Mit dreimal zwei Druckpumpen, die mittels Nockenwellen angehoben wurden und durch ihr Eigengewicht beim Absenken der Kolben das Wasser hochgepressten, stieg dies in drei hölzernen Dünkelröhren zur Brunnstube auf an der Freiburgstrasse. Von da führten weitere Dünkelleitungen entlang des Stadtbachs zu den Laufbrunnen der Stadt.

Der verschwundene Davidsbrunnen vor dem alten Christoffelturm und der Heiliggeistkirche

Ein eigens angestellter Brunnenmeister besorgte die aufwändige Wartung und Kontrolle der Laufbrunnen und den allfällig nötigen Ersatz der hölzernen Deuchelröhren. Ein Vorrat der durch spezialisierte Deuchelbohrleute hergestellten Röhren wurde zum Schutz vor dem Austrocknen in mehreren Weihern in der Brunnmatt bereitgehalten. Diese Anlage wurde mehrfach angepasst und laufend gewartet, bis sie nach dreihundert Jahren 1885 durch ein moderneres System ersetzt wurde.

Turbine und Kolbenpumpen des Giroud-Pumpwerks

Mit der allgemeinen Industrialisierung im 19. Jahrhundert wurde auch das veraltete Pumpwerk neu geplant. Die Maschinenfabrik Louis Giroud aus Olten baute 1881 eine Pumpenanlage nach neustem Stand der Technik in das alte Pumphaus ein. Eine flach liegende Wasserturbine konnte mit einer geringeren Wassermenge vier Kolbenpumpen antreiben und das Trinkwasser durch neue eiserne Röhren in den Küngsbrunnen heben. Vermutlich in diesem Zeitraum sind auch die hölzernen Deuchel- durch Gusseisenrohre ersetzt worden. Das Trinkwasser wurde zuerst in ein Reservoir auf der kleinen Schanze geleitet und von dort mit gleichmässigem Druck zu den Brunnen. Girouds Pumpwerk wurde 1911 nicht mehr gebraucht, weil die Wasserversorgung der Stadt von neuen Quellen im oberen Emmental und von Grundwasserfassungen bei Uttigen eingerichtet wurde.

Wasserfall der Kleinen Schanze

Einzig der kleine Wasserfall an der kleinen Schanze erhielt noch eine Weile Wasser von der ausgedienten Wasserversorgung.

1981 besann man sich auf das vergessene Pumpwerk im Brunnenpumphaus und durch die Initiative einiger Quartierbewohner wurde der Verein Pumpwerk Brunnmatt gegründet, um das historische Industriedenkmal der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Mit Freiwilligenarbeit unter Beizug der Denkmalpflege der Stadt Bern sowie des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern wurde die Maschinerie wieder zum Laufen gebracht, die Räume renoviert und für den Besucherbetrieb eingerichtet. Das Brunnenpumpwerk ist an bestimmten Tagen öffentlich zugänglich und bei Führungen werden die nun elektrisch betriebenen Pumpen eingeschaltet.

Wenn wir heute durstig von den immer sprudelnden Brunnen in den Gassen trinken wollen, dürfen wir das unbedenklich, denn es ist sauberes Trinkwasser. Dabei sollten wir uns auch an alle die Mühen und Kämpfe erinnern, die es brauchte bis diese nicht selbstverständliche Leistung erbracht war.

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