Wie der Stadtbach den Bernern zu Nutzen war.
Als Herzog Berchtold von ZĂ€hringen den BĂ€ren auf der Aarehalbinsel erlegt hatte und dort die Stadt bauen liess, hatte er nicht bedacht, dass es auf einem HĂŒgelrĂŒcken kein fliessendes Wasser gibt. Es floss in reichlicher Menge drum herum. Aber findig wie Berner schon immer waren, entdeckten sie eine praktische Lösung: Sie eigneten sich das EichholzbĂ€chlein an, das beim Weiler Landstuhl ob Thörishaus entspringt, leiteten es zur Stadt und nannten es “Stadtbach”.
Das schwache Rinnsal wurde im Wangental durch mehre BĂ€chlein und WĂ€sserchen verstĂ€rkt und hĂ€tte sich mit dem Sulgenbach vereinigt und wĂ€re dann bei der Aarziele in die Aare gemĂŒndet, wenn nicht die Berner kurz vor dieser Mariage eine andere Verwendung fĂŒr das saubere GewĂ€sser vorgesehen hĂ€tten. Sie leiteten nĂ€mlich kurzerhand den Bach mit KanĂ€len und Leitungen um und weil auch genĂŒgend GefĂ€lle war, floss der nun eigenstĂ€ndige Stadtbach gegen die Stadt hin.
Stadtplan von 1904. Oben beim Weihermannshaus der Stadtbach und dĂŒnn das WarmbĂ€chli. Von unten nach rechts der Sulgenbach.
Am Federweg, um 1904
Von den Verhandlungen mit den LandeigentĂŒmern und MĂŒhlenbesitzern ist vieles in den alten Aufzeichnungen zu lesen, Chronisten und Historiker haben die Geschichte des Stadtbachs erforscht und aufgezeichnet.
Die Berner waren von Beginn an sehr darauf bedacht, dass erstens niemand anderes das Wasser nutzen durfte und vor allem waren auf eine Verunreinigung des wertvollen Wassers hohe Strafen ausgesetzt. Der Stadtbach war aber nicht als Trinkwasserleitung gedacht, dafĂŒr gab es separate Leitungen. Sein Wasser brauchte es zum Waschen und AusspĂŒlen.
Die Rossschwemme vor dem Christoffeltor um 1850
 Zwischen den Toren, beim Bubenbergplatz gab es eine Rossschwemme, die das Wasser vom Stadtbach bezog. Jedes Fuhrwerk und alle Pferde die von den schlammbedeckten Wegen ausserhalb in die Stadt wollten, mussten zuerst durch dieses Reinigungsbad. Der in der Gassenmitte offenlaufende Bach diente den darĂŒber aufgestellten Handwerksbuden zu allerlei Reinigungszwecken.
Beim Davidbrunnen vor der Heiliggeistkirche um 1800
Die Metzger und Gerber nutzten den Bach, der dann den Schmutz hinunter zur Aare trug. Die EhgrĂ€ben, die FĂ€kalleitungen, wurden regelmĂ€ssig mit Stadtbachwasser durchgespĂŒlt, das Abwasser wurde jedoch separat abgefĂŒhrt und unten an der Langmauer in einem Absenkbecken gesammelt, als eine Art erster KlĂ€ranlage. Diese Ehgrabenreinigung wird noch immer praktiziert. Mit der Wasserkraft des Bachs betrieb man auch einige MĂŒhlen und Hebewerke. Davon zeugt heute noch das zwischen den moderneren Bauten altertĂŒmlich wirkende Pumphaus Brunnmatt oder auch die Marzili-Standseilbahn, aber davon mehr in separaten Artikeln.
Der Stadtbach heute
Heute ist der Stadtbachs grössten Teils in Röhren gefasst und verlĂ€uft unterirdisch. Ich bin die Strecke von seiner Quelle bis zur MĂŒndung abgefahren und abgelaufen.
Von der Wasserscheide zwischen der Sense westwĂ€rts und östlich ins Wangental ist der Stadtbach der erste der gegen Bern zufliessenden BĂ€che. Die Quelle des Stadtbachs findet man beim Hof Eichholz nördlich von Thörishaus in einem sumpfigen StĂŒck Wiese, das bei gefrorenem Boden begehbar ist. Zwischen den Stöcken der Kopfweiden entspringt die Quelle.
Ein kleines Tal endet unten bei der Autobahn, der Bach muss unten durch.
Kurz unwĂŒrdig eingeklemmt zwischen Bahnstrecke und Autobahn quert er wieder die Autobahn und folgt ihr offen bis Oberwangen wo er wiederum einige Meter in Röhren gefasst wird. In Oberwangen besteht noch eine ehemalige MĂŒhle, die allerdings vom eigenen MĂŒhlbach angetrieben wird, ihr Unterwasser fliesst dem Stadtbach zu. Erneut folgt dann der Bach offen der Autobahn bis zum Biotop Erlen vor Niederwangen.
Hier geht es untendurch auf die andere Autobahnseite, wo der Reinhardebach von Liebewil kommend in den Stadtbach mĂŒndet.
Dann offenen am WangenbrĂŒggli vorbei und erneut unter den diversen Verkehrsstrecken hindurch bis zum Fust-GebĂ€ude Hallmatt, wo er offen weiter fliessen kann.
Zwischen Baumarkt und AutohĂ€usern hat man dem Bach wieder ein wĂŒrdiges Ambiente geschaffen.
Der weitere Verlauf ist in BetonkanĂ€len am Rehagquartier vorbei bis ins Zentrum von BĂŒmpliz verfolgbar.
Dann muss es unter der Strasse durchgehen und ist wieder offen vor dem Restaurant Sternen. Hier ist ein enger Durchgang zwischen den zwei HĂ€usern und nach her
gleich unter Eisenplatten gut hörbar, vor den LadengeschÀften vorbei zur weiteren Freiheit hinter der Druckerei durch und ist am Schlosspark nochmals gut zu sehen.
Auch der Stadtbach muss durch die UnterfĂŒhrung und ist dann das letzte Mal fĂŒr lĂ€ngere Zeit sichtbar an der BĂŒmplizstrasse in Bethlehem. Von dort an wird der Bach eingedolt am Weihermanshaussee vorbei zum WarmbĂ€chliweg gefĂŒhrt. Wo die anstelle der Kehrichtverbrennung entstandene WohnĂŒberbauung ist, konnte mit Einbezug des namengebenden WarmbĂ€chleins ein natĂŒrlich scheinendes offenes Gerinne geschaffen werden. Man hat dort versucht mit den GewĂ€ssern dem sonst dicht bebauten Areal ein wenig Natur zurĂŒckzugeben. Danach sieht man kurz nochmal den alten Stadtbach bevor er dem Federweg entlang erst vor dem Anna-Seilerspital wieder ans Tageslicht kommt.
Eine alte Ansicht des stark verlotterten Hauses vor seinem Umbau
Von hier geht es im Betonkanal neben dem Inselareal vorbei bis zur Laupenstrasse. Ab da wird es sehr kompliziert. Im Bereich der BĂŒhlbrĂŒcke soll gemĂ€ss PlĂ€nen der Bach die Bahnschienen in einer Druckleitung unterqueren und dann an der Stadtbachstrasse, unterhalb des Stadtbachquartiers bis zum Obergerichts weiterfliessen. Dort im unter der SchanzenbrĂŒcke soll er erneut auf die andere Seite neben dem BĂŒrgerspital wechseln und dann vom Bubenbergplatz aus zur Spitalgasse gefĂŒhrt sein. Das mĂŒssen wir den Stadtwerken glauben, sie haben es so auf ihren PlĂ€nen eingezeichnet. Bei den Tiefbauten fĂŒr den neuen Bahnhofzugang wird man dort auch fĂŒr den Stadtbach eine Lösung finden mĂŒssen.
FrĂŒher lief der Stadtbach im offenen Graben in der Strassenmitte. DarĂŒber waren MarktstĂ€nde und Werkstatt-Buden gebaut. Das Abwasser der Brunnen sowie das Regenwasser aus der Gasse wurden direkt abgeleitet. FĂŒr das Tram hatte es nicht genĂŒgend Platz in der engen Gasse. Deshalb wurde der Bach mit Steinplatten ĂŒberdeckt. Erst beim Umbau der unteren Hauptgassen hat man sich wieder besonnen und den Bach befreit.
Jetzt ist er mit Gittern ĂŒberdeckt und stellenweiser sogar offen. Eine letzte Kapriole wird dem altehrwĂŒrdigen Stadtbach noch ganz unten an der Gerechtigkeitsgasse zugemutet. Ein «Kunst am Bau» Objekt, dem sogenannten «Gegenlauf im Fluss» lĂ€sst auf geheimnisvolle Weise den Eindruck entstehen, das Wasser flösse wieder bergauf zurĂŒck. Dann aber verschwindet der Stadtbach zum allerletzten Mal und wird dann bei der UntertorbrĂŒcke unspektakulĂ€r in die Aare geleitet.
Der niedrige Abweisstein am untersten Bachende, Poller genannt, soll ein fatales Fahren in den Graben verhindern, doch er wird regelmÀssig von unvorsichtigen Autofahrern umgelegt, wie ich lese. Das nur nebenbei.
WĂ€ren wir vor zwei Jahrhunderten dort gewesen, dann hĂ€tten wir noch die klappernden MĂŒhlen an der Postgasshalde gesehen, die wurde noch als letzte Nutzung vom steilen «Schutz» des Stadtbachs angetrieben. Die sogenannten Stett (Stadt)- oder SchutzmĂŒhlen waren ĂŒbereinander von WasserrĂ€dern angetriebene GetreidemĂŒhlen, Stampfwerke und Hammerschmieden. An diese MĂŒhlen erinnert nur noch das idyllische KlapperlĂ€ubli beim Nydeggstalden.
4 Comments
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Guten Morgen, habe mir soeben nach dem FrĂŒhstĂŒck aus dem Magazin die wunderbaren Berichte ĂŒber das Berner Trinkwasser und den Berner Stadtbach zu GemĂŒte gefĂŒhrt. Bin beeindruckt. Was fĂŒr eine grosse Arbeit steckt da dahinter. Die aussagekrĂ€ftigen zahlreichen Fotos dokumentieren die Texte zum betreffenden Thema vollumfĂ€nglich.. Da bleibt nur, Bern ist demnĂ€chst eine Reise wert. Mit kollegialem Grusse aus Basel Willy
Birs-Willy
Lieber Erwin
Danke vielmal fĂŒr dein Beitrag, sehr spannend, tolle Bilder.
Ja, das waren noch Zeiten, gerne blicke ich zurĂŒck.
Verena
Guete Tag Erwin,
vielen Dank fĂŒr Deinen ausfĂŒhrlichen Bericht zum “Berner Stadtbach”. Du hast es wieder mal getroffen und super spannend prĂ€sentiert.
LG Baeremanni
Wie immer spannend, Deine historischen Forschungen, lieber Erwin. Ich jedenfalls lese sie mit grossem Interesse und freue mich immer wieder ĂŒber die Einbeziehung der Vergangenheit in die Gegenwart, die wir ohne erstere nicht wirklich verstehen können. Catherine