Die Steinbrüche von Ostermundigen und die Zahnradbahn
Erst vor kurzer Zeit entschied sich die Gemeinde Ostermundigen für Eigenständigkeit und gegen einen Anschluss an Bern. Dabei besteht die Stadt Bern bereits zu einem erheblichen Teil aus dem Mundiger Urgefüge, dem grünen Sandstein.
Berner Sandstein war und ist das Baumaterial sowohl für die Häuser der Stadt, für die Nydegg und Untertorbrücke, für die Mauern der Münsterplattform und für das Münster selbst. Das Gestein stammt aus den umliegenden Steinbrüchen am Gurten, am Bantiger und vor allem vom Ostermundigenberg. Bereits seit dem Mittelalter hat man dort das Berner Baumaterial gewonnen. Als nach dem grossen Stadtbrand von 1402 der Rat für den Wiederaufbau die Steinfassaden befahl, kam die grosse Zeit der Steinbrüche. Der älteste urkundliche Hinweis auf die Steinbrüche Ostermundigen, stammt aus der Zeit, als man die Hochmauern des Münsters baute, nach der Grundsteinlegung im Jahre 1421.
Der bernische Rat erliess am 5. November 1481 folgenden Befehl:
„An die von Bollingen und Muri, das Gestein zu Ostermundingen Sanct Vincentzen harin ze füeren“ (das Münster war dem heiligen Vinzenz geweiht).
Für das neue Rathaus und das Münster wurden die Bausteine von Ostermundigen, wegen ihrer guten Qualität angewandt. Mit harter Handarbeit brachen die Steinhauer die Steinblöcke aus den Lagerbänken. Mit langstieligen Schrotpickeln hieben sie tiefe Spalten in die Gesteinsbänke und lösten mittels Keile die Blöcke vom gewachsenen Felsen. Andere Arbeiter verluden die schweren Blöcke auf Ochsenfuhrwerke und brachten sie zu den Baustellen.
Der Steinbruch um 1936
Bild von: Leo Wehrli, CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>, via Wikimedia Commons
Der junge Paul Klee hat mit einigen Zeichnungen und später mit Bildern vom Steinbruch seine Eindrücke von der schweren Arbeit festgehalten.
Nachdem im 19. Jahrhundert die Dampfmaschinen aufkamen, wurde das Verladen auch hier durch einen motorisierten Kran erleichtert. Ab 1858 hatte Bern einen Bahnanschluss im Wylerfeld mit der Centralbahn nach Olten oder Thun. Damit wurde der Vertrieb des Berner Sandsteins in weiter entfernte Orte rentabel. Zur Verladestation in Ostermundigen hätte ein direkter Gleisanschluss am Steinbruch einen rationellen Transport ermöglicht, was jedoch die grosse Steigung zu verhindern schien. 1865 hat die Steinbruchgesellschaft Ostermundigen ein Gesuch zum Bau einer Anschlussbahn von der damaligen Station Ostermundigen an der Centralbahn Bern-Thun in die Steinbrüche am Ostermundiger Berg hinauf in der Spurweite 1.435 m (Normalspur) eingereicht.
Ausschnitt aus Siegfriedkarte von 1900 mit den Steinbrüchen Ostermundigens
Es war der Ingenieur Niklaus Riggenbach, der als Leiter der Werkstatt für die Centralbahn in Olten, die Lösung für Steilstrecken fand.
Ingenieur Riggenbach entwickelte das Zahnradbahnsystem, wobei zwischen den Schienen eine Zahnstange war, in die ein von der Lokomotive angetriebenes Zahnrad eingriff und ein Durchrutschen der Räder verhinderte. Die Zahnradtechnik war für Bergbahnen gedacht und wurde auch bei der ersten Bahn auf die Rigi eingesetzt. Für die Rigibahn in Vitznau wie auch für die Steinbruchbahn in Ostermundigen erhielt Riggenbach den Bauauftrag. Bereits 1870 war die Bahn zum Steinbruch betriebsbereit, sie wurde jedoch erst am 12. September 1871 dem Betrieb übergeben, weil vorher am 21. Mai 1871 die prestigeträchtige Rigibahn eröffnet werden sollte.
Dieses «Bubentrickli» kann aber nicht darüber weg täuschen, dass die Steinbruchbahn von Ostermundigen die ERSTE Zahnradbahn Europas war. Auf der 1,4 km langen Strecke waren 480 m Zahnstangen verbaut und damit konnte eine Steigung von 10% überwunden werden. Mit der Spurweite von 1,435 mm (Normalspur) war der Anschluss an die Centralbahn möglich.
Die Gnom im Verkehrshaus.
Bild: Andrew Bossi, CC BY-SA 2.5 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5>, via Wikimedia Commons
Als erste Dampflokomotive wurde die «Gnom» angeschafft. Diese Zahnradlok war eine Entwicklung der Werkstatt in Olten unter Niklaus Riggenbach. Sie konnte mit zweierlei Antriebsarten betrieben werden, entweder mit dem Zahnrad über die Zahnstangen, oder im Normalbetrieb mit den hinteren grossen Rädern.
Die Lok «Elfe» in Ostermundigen
Konstruktionszeichnung der «Elfe»
Fünf Jahre später kam noch die Lok namens «Elfe» dazu. Sie war in der von Riggenbach gegründeten Gesellschaft für Bergbahnen in Aarau mit einem verbesserten Antrieb gebaut worden.
31 Jahre lang war die Bahn in Betrieb, von 1871 bis 1902, dann wurde der Steinbruch aufgegeben und die Bahn eingestellt. Modernere Bauweisen mit Ziegelsteinen und Beton machten den Sandstein unrentabel. Die Gleisanlagen wurde 1907 abgebrochen und das Rollmaterial an die Firma Von Roll verkauft. Die «Gnom» war auf dem Werksgelände in Rondez und die «Elfe» in Gerlafingen als Rangierlok bis 1942 im Einsatz. Der damalige Direktor der Von Roll rettete die beiden Loks vor der Verschrottung und Lehrlinge konnten sie soweit möglich restaurieren.
Nun ist die «Gnom» im Verkehrshaus in Luzern konserviert und die «Elfe» steht an der Bernstrasse in Ostermundigen auf einem Sockel weitab von anderen Bahngeleisen, zum Denkmal an die Zeit als Ostermundigen «steinreich» war.
Wie das heute um den Bahnhof aussieht, darüber mehr später.
2 Comments
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Mit grossem Interesse habe ich den Beitrag gelesen.
Danke vielmal.
Liebe Gruess
Verena
Der Sandsteinbruch auf dem Ostermundigerberg ist aber heute noch in Betrieb.